Wunschlandschaft Schweiz
Die Unterschiede zwischen den Sprachregionen sind viel grösser als angenommen. Dies zeigt eine Untersuchung der Wünsche der Schweizer Bevölkerung.
Die Studie betritt wissenschaftliches Neuland und entstand im Rahmen des Expo-Ausstellungsprojektes sWISH*.
"Ich möchte die Kraft haben, meine Kinder mal so verständnisvoll zu erziehen, wie das meine Eltern mit mir getan haben," lautet der Wunsch des Breakdance-Europameister, um gleich abgelöst zu werden vom Wunsch eines Bewohners des Valsertals: "Ich wünsche mir, dass meine Frau weiterhin so gut kocht, und dass sie mich überlebt."
An kaum einem anderen Ort der Expo.02 kommt man der Schweizer Bevölkerung näher als im sWISH*-Pavillon auf der Arteplage Biel. Im Schatten der Türme der Macht sind die Wünsche von rund 650 Menschen aus der ganzen Schweiz zu sehen und zu hören: Herzenswünsche, Partnerwünsche, Wünsche an die Schweiz und die Welt, Wünsche nach Altersgruppen.
Heinz Gutscher und Jürg Artho von der Sozialforschungsstelle der Uni Zürich haben diese "Wunschlandschaft Schweiz" in einer Begleitstudie wissenschaftlichen untersucht und am Montag vor den Meiden präsentiert.
"Wir haben Neuland betreten", sagte Professor Heinz Gutscher gegenüber swissinfo. Wünsche seien für die Wissenschaft kein Thema. "Überrascht haben uns die grossen Unterschiede zwischen den Sprachregionen." Die gängige Sozialwissenschaft ginge immer noch stark von einem Stadt-Land-Unterschied aus.
Pragmatische Deutschschweiz
Allen Befragten wurden zuerst drei Wünsche gewährt. 50% der geäusserten Wünsche waren den Klassen "Gesundheit" und "Materielles" zuzuordnen. An dritter Stelle folgte der Wunsch nach "Frieden". "Soziale Beziehungen" sowie "Toleranz, Offenheit, Solidarität" und "Spirituelles" machten jeweils weit weniger als 10% der Wünsche aus.
Aus den geäusserten Wünschen liessen sich sechs Personen-Gruppen bilden: "Tolerante", "Pragmatische", "Soziale", "Spirituelle", "Materialistische" und "Friedliche".
Überdurchschnittlich viele "Pragmatische" finden sich in der Deutschschweiz, wobei pragmatische Wünschende sich dadurch charakterisieren lassen, dass sie ausserhalb der Bereiche Gesundheit, Frieden und Materielles keine weiteren Wünsche formulierten. In der Romandie gibt es mehr "Soziale" und im Tessin fast doppelt so viel "Spirituelle" und "Tolerante" als in der übrigen Schweiz.
Rahmenbedingungen vs. Selbstbewusstsein
Grosse sprachregionale Unterschiede kommen vor allem auch bei den Wünschen für Frauen zum Ausdruck. So wünschen 50% der befragten Personen in der Westschweiz den Frauen bessere gesellschaftliche Rahmenbedingungen. In der Deutschschweiz sind es 20% und im Tessin gerade noch 5%.
Dafür wünschen 25% der befragten Personen im Tessin und 20% in der Deutschschweiz den Frauen mehr Selbstbewusstsein. In der Westschweiz sind es lediglich 5%.
Während also die Westschweizer die gesellschaftlichen Strukturen verändern wollen, sieht die übrige Schweiz das Problem eher in einer Charakterschwäche.
Offenheit und Frieden
Bei den Wünschen für die Schweiz dominiert das Thema Offenheit in allen Sprachregionen und zeigt wenig Überraschendes. Erwartungsgemäss wünschen sich in der Romandie mehr Menschen "Mehr Offenheit" (35%) als in der Deutschschweiz (20%) und im Tessin (16%). Die Autoren betonen jedoch, dass "Mehr Offenheit" nicht automatisch die Befürwortung des EU-Beitritts bedeute.
Bei der Frage nach einem Wunsch für die Welt waren sich die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz für einmal einig: 59% aller Befragten wünschten sich "Frieden". Themen wie "Solidarität" oder "Hunger" belegen mit je gut 10% den zweiten und dritten Rang.
Jeder seines Glückes Schmied
87% der Befragten bezeichneten sich als "eher zufrieden" bis "absolut zufrieden". "Die Schweizer wünschen sich Dinge, die sie auch erreichen können," erklärt sich Gutscher diesen hohen Anteil Zufriedener. Fast die Hälfte fühle sich auch für das Erreichen der Wünsche selbst verantwortlich. "Die Schweizer sind deshalb so glücklich, weil sie so massvoll sind." In diesem Land mache man sich nicht unnötig unglücklich mit völlig utopischen Dingen, meinte der Sozialpsychologe.
Hansjörg Bolliger
Fakten
Aufgezeichnet wurden die Wünsche vom sWISH*mobile, welches im Herbst 2001 kreuz und quer durch die Schweiz fuhr und die Menschen aufforderte, vor laufender Kamera ihre Wünsche zu offenbaren. Durch die gelungene Montage der Videoporträts entstand eine Wunschlandschaft der Schweiz, die Besucherinnen und Besucher begeistert. Zusätzlich zu den Videoporträts haben die Forscher im Herbst 2001 über 1500 Personen in der ganzen Schweiz telefonisch über ihre Wünsche befragt.
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