Wenn die Wissenschaft ins Shoppingcenter geht
Mit der mobilen Ausstellung Ice Age Panorama tourt die Universität Neuenburg gegenwärtig in verschiedenen Schweizer Einkaufszentren. Sie will damit die Wissenschaft unter die Leute bringen. Funktioniert das?
Quizfrage: Welches ist das grösste Tier, das vor 15'000 Jahren regelmässig gejagt wurde? Das Pferd, das Mammut oder der Bär? Dies ist eine der zehn Fragen zu den neusten Erkenntnissen der Eiszeitforschung, die das interessierte Publikum in der Ausstellung Ice Age PanoramaExterner Link im Thuner Einkaufszentrum Panorama-Center in einem Wettbewerb beantworten kann.
Die Ausstellung ist prominent im Eingangsbereich des Shoppingtempels aufgestellt und steht unter dem Motto "Forschung und Öffentlichkeit im Austausch". Eine Mutter mit Kind schaut sich die Bilder an und studiert die Quizfragen. Eine junge Wissenschaftlerin drückt ihnen einen Fragebogen und ein Bleistift in die Hand. Zusammen mit dem Kind versucht die Mutter in der reich bebilderten Ausstellung, die korrekten Antworten zu finden.
Das Ice Age Panorama ist ein Rundbild, das an die grossen Panoramen des 19. Jahrhunderts erinnert. "Es sind Vorgänger des Kinos, die es überall in Europa gab und mit denen Geschichtswissen ans grosse Publikum vermittelt wurde", sagt Ausstellungsmacherin Denise Leesch von der Universität Neuenburg.
Die Ausstellung der Universität Neuenburg tourt dieses Jahr durch Schweizer Einkaufszentren in Kantonen der Deutsch- und Westschweiz. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Schaffhauser Museum zu Allerheiligen und wird lokal jeweils von kantonalen Museen unterstützt.
Wissensvermittlung auf dem Prüfstand
2018 – Jahr des Kulturerbes
Die Ausstellung Ice Age Panorama ist eine der Veranstaltungen, mit denen ein Jahr lang das gemeinsame kulturelle Erbe der Schweiz landesweit in den Mittelpunkt gerückt werden soll.
Das KulturerbejahrExterner Link steht unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset und findet im Rahmen des Europäischen Jahrs des KulturerbesExterner Link statt, das von der Europäischen Union (EU) und dem Europarat lanciert worden ist.
End of insertionFür die Schweiz sei diese Form der Wissensvermittlung neu, zumindest in der Archäologie, sagt Leesch. "In Japan sieht man dieses Konzept sehr häufig. Praktisch in allen Shopping-Centern, auch in kleinen, gibt es solche Ausstellungen."
In der Schweiz sei es noch nicht so verbreitet. "Deshalb wollten wir mal testen, wie das ankommt, ob die Leute Spass daran haben." Mit der Form der Wanderausstellung werde es möglich, auch ein Publikum anzusprechen, das nicht regelmässig Museen besuche, sagt Leesch.
Ihr Fazit: "Das Konzept funktioniert gut. Die Leute spielen selber ein bisschen Forscherin und Forscher", sagt Leesch. Zudem hat sie festgestellt: "Niemand vermisst Bildschirme!"
"Wichtige Aufgabe"
Für die Schweizer Hochschulen ist der Austausch mit der Öffentlichkeit eine wichtige Aufgabe, wie Martina Weiss, Generalsekretärin des Vereins SwissuniversitiesExterner Link, der Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen, festhält. "Sie erfüllen einen öffentlichen Auftrag und erhalten dafür entsprechende Mittel. Deshalb ist es ihnen auch wichtig, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeiten zu informieren. Es ist in diesem Sinne, dass die Universität Neuenburg mit ihren Ausstellungen in den Einkaufszentren auf die Öffentlichkeit zugeht", betont Weiss.
"Wir sehen es positiv, wenn Ausstellungen mit musealen Inhalt auch ausserhalb von Museen gezeigt werden", heisst es beim Verband der Museen der Schweiz (VMS) und Internationaler Museumsrat Schweiz (ICOM). "Jedoch ist es wichtig zu betonen, dass diese keinen Ersatz für Museen darstellen dürfen sondern eine Ergänzung. Sehr zu begrüssen sind dabei niederschwellige Angebote, die auch ein breiteres Publikum ansprechen", so Generalsekretärin Catherine Schott.
Überholte Klischees
In der Eiszeit-Ausstellung der Universität Neuenburg lernt das Publikum nebenbei auch, dass die Klischeebilder, die wir von der Eiszeit haben, meistens nicht der Realität entsprechen.
"Es ist eine Ausstellung ohne Mammuts und Säbelzahntiger, sondern mit den Tieren, die es vor 15'000 Jahren im späteren Gebiet der Schweiz tatsächlich gab, die wir regelmässig in archäologischen Fundstellen aus dieser Zeit finden. Das Publikum lernt so Tiere kennen, die es nicht kannte", sagt Leesch. Zum Beispiel den Ziesel, der aussieht wie ein kleines Murmeltier und in den damaligen Steppen im Gebiet der heutigen Schweiz lebte.
Und schliesslich staunten die meisten Ausstellungsbesuchenden darüber, welches während der Eiszeit das hauptsächlich gejagte Tier war: "Es war das Wildpferd, und eben nicht das Mammut", hält Ausstellungsmacherin Leesch fest.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Diskutieren Sie mit!