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Wie weiter im Nahen Osten?

Ruhe und Unruhe liegen in Ramallah nah beieinander. Keystone

Im Nahen Osten ist die Lage gespannter denn je. Israel macht Arafat persönlich für die jüngsten Anschläge verantwortlich. Die offizielle Schweiz ist besorgt.

Dieser Inhalt wurde am 13. Dezember 2001 publiziert Minuten

Israel hat am Donnerstag offiziell alle Kontakte zu Palästinenserführer Jassir Arafat abgebrochen. Die Regierung macht ihn direkt verantwortlich für die Attentate, bei denen am Mittwoch zehn Israeli getötet worden waren.

"Darum ist er für Israel nicht länger relevant", hiess es in einer Erklärung des israelischen Sicherheitskabinetts. Er sei nun "politisch aus dem Spiel". Die Reaktion sei Folge der ausbleibenden Erfolge der Autonomiebehörde bei der Suche nach Hintermännern anti-israelischer Anschläge. "Jetzt ist es Zeit für Israel, sich mit eigenen Mitteln zu verteidigen."

Quasi-Arrest für Arafat

Laut Justizminister Meir Scheetrit hat die Armee die Anweisung erhalten, "den Terrorismus auszurotten". Arafat werde "nicht mehr als Partner für den Friedensprozess angesehen", sagte er. Allerdings solle die Palästinenserbehörde nicht zerschlagen werden.

Arafat wurde jedoch untersagt, die Stadt Ramallah im Westjordanland zu verlassen. "Israel wird ihn nicht persönlich angreifen, aber er wird bleiben, wo er ist", sagte der Justizminister im Militärradio.

Gleichzeitig schliesst der Minister für öffentliche Sicherheit, Usi Landau, eine Ausweisung Arafats nach Tunis nicht mehr aus. (Im tunesischen Exil hatten Arafat und die übrige Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) vor dem Osloer Friedensabkommen von 1993 ihren Sitz.)

Palästinensische Gebiete unter Beschuss

Noch in der Nacht zum Donnerstag waren Panzer und Infanterie in die Stadt eingerückt. Kampfhelikopter schossen mindestens 10 Raketen auf Ziele der Autonomiebehörde ab. Mehrere seien nahe dem Hauptquartier von Arafat eingeschlagen. Die Sendeanlage des palästinensischen Fernsehens wurde zerstört. Die Autonomiebehörde spricht von einer Kriegserklärung.

Die Stadt ist laut Augenzeugen im Belagerungszustand. Die Leiterin des Büros der Direktion für Entwicklung (DEZA) in den palästinensischen Gebieten, Rosmarie Schelling, benötigte zwei Stunden, um die Militärabsperrungen zu durchqueren. Doch die Arbeit gehe weiter, erklärte sie gegenüber swissinfo. Einzig die Effizienz leide. Die humanitäre Hilfe sei jedoch dezentral organisiert. So könnten die Mitarbeiter der Partnerorganisationen autonom weiterarbeiten.

Für die DEZA geht die Arbeit weiter

"Die Organisationen, die wir unterstützen passen sich der Situation an. Die Leute sind es gewohnt in schwierigen Situationen zu arbeiten", erklärt Schelling. Und die Arbeit der Schweiz sei mehr mit Soft- als mit Hardware zu vergleichen. Die Hilfe, die Unterstützung der Partnerorganisationen könne durchaus weitergehen. "Die Gewalt konzentriert sich auf gewisse Gebiete. Andernorts ist es sehr ruhig", so Schelling.

Im Gazastreifen griffen israelische Kampfflugzeuge den internationalen Flughafen von Gaza-Stadt an. Der Flughafen von Gaza gilt als ein Symbol des palästinensischen Strebens nach Eigenständigkeit. Den Gazastreifen teilte die Armee in drei Teile und riegelte die Stadt praktisch ab.

Am Donnerstag-Abend beschossen israelische Helikopter und Kampfflugzeuge erneut öffentliche Gebäude in Ramallah, Dschenin und im Gazastreifen.

Die Schweiz ist besorgt

Die offizielle Schweiz blickt sehr besorgt Richtung Nahen Osten. Die Schweiz bedaure die Toten auf beiden Seiten und den mangelnden Schutz der Zivilbevölkerung, teilt das Aussenministerium mit. Es verurteilt jegliche Gewaltakte, die zur bewussten Tötung Ziviler führt, die eigentlich durch das humanitäre Völkerrecht geschützt wären.

Die Schweiz unterstützt auch weiterhin die Bemühungen der UNO, der EU sowie der USA. Auch diese betrachten Arafat weiterhin als Ansprechpartner auf Seite der Palästinenser. Die Gewaltspirale müsse durchbrochen werden, denn sie gefährde die Stabilität der Region.

Kritik aus aller Welt

Das Vorgehen Israels stiess weltweit auf Kritik. Der französische Aussenminister Hubert Védrine bezeichnet die Ausgrenzung Arafats als Fehler. Frankreich will, dass auf dem kommenden EU-Gipfel eine gemeinsame Nahost-Erklärung verabschiedet wird.

US-Vizeaussenminister William Burns sagte, auch für sein Land bleibe Arafat der Repräsentant des palästinensischen Volkes. Der UNO-Nahostbeauftragte Terje Larsen warnte, Israel und die Palästinenser stünden näher denn je vor einer umfassenden militärischen Konfrontation.

Javier Solana, aussenpolitischer Beauftragter der EU, schätzt die Lage im Nahen Osten sehr pessimistisch ein. Die Arabische Liga spricht von einer einseitigen Aufkündigung des Friedensprozesses.

"Kein palästinensischer Staat"

Wie ausweglos die Situation ist, zeigt ein Zitat des israelischen Sicherheitsministers, Usi Landau, der den Kampf gegen den Terrorismus als "Kampf auf Leben und Tod zwischen uns und den Palästinensern" bezeichnet. "Wir werden niemals die Existenz eines palästinensischen Staates akzeptieren. Das wäre eine Katastrophe."

Rebecca Vermot und Agenturen

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