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Leben und Altern

Wie die Schweiz darum kämpft, Renten für kommende Generationen zu sichern

Viele Staaten suchen nach Möglichkeiten, um einen Zusammenbruch ihres Renten- und Pensionssystems zu vermeiden. In der Schweiz gibt es für diese Sanierungsversuche eine zusätzliche Hürde: die direkte Demokratie. Das erschwert das Unterfangen für Reformen.

Dieser Inhalt wurde am 11. März 2020 - 11:10 publiziert
Corinna Staffe (Illustration)

Die Schweiz kennt für die Altersvorsorge ein kompliziertes System: Es beruht auf drei Säulen. Als erste Säule gibt es die obligatorische Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), als zweite Säule die berufliche Vorsorge (BVG) und als dritte Säule die steuerlich begünstigte private Vorsorge. 

Dank dieses Modells werden die Risiken für das Alter verteilt. „Es ist ein Modell, das als Vorbild für andere Länder dient, aber leider unvollständig ist“, meint Thomas Gächter, Professor für Versicherungsrecht an der Universität Zürich. 

Dieses Modell verschafft der Schweiz sicherlich einen Vorteil gegenüber anderen Staaten, rettet das Land aber nicht vor den negativen Folgen einer alternden Bevölkerung. Gemäss Prognosen können die Renten der künftigen Generationen ohne Korrekturmassnahmen nicht mehr garantiert werden. Thomas Gächter spricht in dieser Hinsicht Klartext: „Die Bombe ist gezündet.“ 

Obwohl die Schweizer Regierung immer wieder darauf hinweist, dass die Zeit davonläuft, bleibt das helvetische Renten- und Pensionssystem seit Jahrzehnten eine Dauerbaustelle, deren Ende nicht absehbar ist. 

Die Regierung hat von einem „globalen chirurgischen Eingriff“ Abstand genommen und betreibt eine „Pflästerlipolitik“ der kleinen Schritte. Diese Strategie wurde gewählt, nachdem nach 2004 alle grossen Reformvorhaben für die Altersvorsorge im Parlament oder vor dem Volk gescheitert sind.  

Der Wind hat nach der 11.AHV-Reform gedreht. Bis dahin brachten alle Reformvorhaben eine Konsolidierung oder sogar eine Verbesserung des Rentensystems. Es war somit leichter, bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit des Volkes zu überzeugen.  

Seit die Reformprojekte hingegen Verschlechterungen im Rentensystem zur Folge hatten, erwies sich die direkte Demokratie als hohe Hürde. Es wurde viel schwieriger, die Vorlagen beim Volk in Abstimmungen durchzubringen. 

Zu dieser Entwicklung trägt bei, dass die überwiegende Mehrheit der jungen Wahlberechtigten, die ein starkes Interesse hätten, mit einschneidenden Massnahmen zu verhindern, dass die AHV in die roten Zahlen gerät und künftige Generationen die Zeche bezahlen müssen, gar nicht an die Urne geht. Hingegen ist die Beteiligung an den Volksabstimmungen unter älteren Menschen und denjenigen, die kurz vor der Rente stehen, sehr hoch.  Und diese wollen ihren Besitzstand wahren. 

Bis es 2020 vom Coronavirus auf Platz zwei verdrängt wurde, stand das Renten- und Pensionssystem an erster Stelle im Sorgenbarometer der Schweizerinnen und Schweizer. Zugleich ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit der Politiker, das Problem der Altersvorsorge zu lösen, drastisch gesunken.  

Nun ist die Frage: Gelingt es den politischen Entscheidungsträgern mit der dem Parlament unterbreiteten Reform AHV 21, die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zu scharen? Oder wird das Vertrauen in die Politiker noch weiter schwinden? 

Das Projekt wird sehr kontrovers diskutiert. Darum geht es:  

Einer der umstrittensten Punkte dieses Regierungsvorschlags ist zweifellos die Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre. Dass die Frauen bis anhin in der Schweiz ein Jahr früher in Rente gehen können als Männer, wird von einigen Seiten hart kritisiert, weil man darin auch im europäischen Vergleich ein Privileg sieht. 

Die Gegner einer Erhöhung des Rentenalters entgegnen, dass die Frauen in der Schweiz während ihrer Erwerbstätigkeit in der Regel geringere Löhne haben als Männer und dadurch später fast ein Drittel tiefere Rentenbezüge - was allerdings streng genommen eine Folge der Pensionskasse ist und nicht der AHV, die Gegenstand des Reformprojektes ist. 

Ein Blick auf die internationale Entwicklung zeigt, dass der Gender-Gap zunehmend beseitigt wird. So ist etwa in den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein klarer Trend in diese Richtung erkennbar.


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