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Wenig Zukunftschancen für Gurinerdeutsch

Bosco Gurin, das "einzige deutschsprachige Dorf im Tessin“: Diese Definition ist immer wieder zu lesen.

Dieser Inhalt wurde am 10. September 2003 - 14:42 publiziert

Doch leider stimmt sie nicht, oder besser gesagt: nicht mehr. Richtig ist, dass Bosco Gurin das einzige Walserdorf im Tessin ist.

Die genutzten Sprachen sind Italienisch und Gurinerdeutsch. Italienisch ist die offizielle Sprache. Gemeindeversammlungen werden auf Italienisch abgehalten und auch die Anschläge am Schwarzen Brett der Bürgergemeinde sind auf Italienisch verfasst, Schriftverkehr mit dem Kanton ist ebenfalls Italienisch.

Gurinerdeutsch ist hingegen eine Art Privatsprache, die von rund der Hälfte der Einwohner im Gespräch untereinander benutzt wird. Wer als Besucher nach Bosco Gurin fährt, wird daher einige Zeit brauchen, bis er diese Mundart hört. Zumal die Guriner sprachgewandt sind. Mit den Tessinern stellen sie auf Tessiner Dialekt um, im Kontakt mit den Touristen arrangieren sie sich in einem allgemeine Schweizerdeutsch sowie in Schriftdeutsch.

Ein kleines Wunder

Dass sich die Guriner Mundart bis heute erhalten hat, grenzt an ein kleines Wunder. Denn dem Kanton Tessin war nie viel dran gelegen, dass das Deutsche in Bosco Gurin gepflegt wird. Die Schule musste im 19.Jahrhundert nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht auf Italienisch gehalten werden.

Erst im Jahr 1942 erklärte sich die Kantonsregierung zur Finanzierung von zwei Stunden Deutschunterricht bereit, sozusagen im Gegenrecht für Finanzmittel, die der Bund dem Kanton Tessin zur Erhaltung der eigenen sprachlich-kulturellen Minderheit gewährt hatte.

Goethe würde weinen



Die Guriner Mundart gehört zu den Walser Mundarten, die man auch als Bergschweizerdeutsch bezeichnet. Goethe würde weinen, Dante erröten, wenn er den Dialekt von Bosco Gurin hören würde, schrieb der Schriftsteller Angelo Nessi im Jahr 1900. Zusammen mit dem Pomatt und den Walserorten am Monte Rosa gehört Gurin zu den südwestlichen Vorposten deutscher Sprache.

Ein Beispiel des Walliserdeutsch: "D´s Naeschti - Chlys, abar groassas gnüag, wänn mu anandra liapa tüat“ - Das Nest klein, aber groß genug, wenn man sich liebt – ein Satz, der das Selbstverständnis der Walser beschreibt.

Die Überlebenschancen dieses Dialekts sind allerdings gering. Schon heute nimmt die Zahl der Familien, in der nur noch ein Elternteil Gurinerdeutsch spricht, zu. Die Folge: Viele Kinder und Jugendliche sprechen nur noch Italienisch. Für Zugezogene ist der Walserdialekt praktisch unerlernbar.

"Da es im eigenen Dorf immer schwieriger, einen Partner oder eine Partnerin zu finden, nehmen die Mischehen zu“, sagt Marco Leoni, Mitglied der Gemeindeexekutive. Und dies hat natürlich einen direkten Einfluss auf das Überleben des Dialekts.

Gerhard Lob

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