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Viren als blinde Passagiere

Urs Gerber mit seinen Studienobjekten: sternfoermige Zellen (gruen) mit ihren kugeligen Zellkernen (blau) und den punktfoermigen Adenoviren (rot). Keystone

Zürcher Forscher haben die Tricks entlarvt, wie Adeno-Viren in den Zellkern gelangen. Ein seit 30 Jahren untersuchtes Rätsel ist damit gelöst.

Dieser Inhalt wurde am 18. Dezember 2001 publiziert Minuten

Viren besitzen zwar eigenes Erbmaterial, ohne fremde Hilfe können sie sich jedoch nicht vermehren. Sie müssen in eine lebende Zelle eindringen.

Einigen Viren reicht es, bis ins Zellplasma zu gelangen. Andere, wie die so genannten Adenoviren, vermehren sich lediglich im Zellkern. Adeno-Vireen befallen unter anderem die Zellen der Atemwege und lösen grippeartige Symptome aus.

Der Weg in den Zellkern ist durch ein scheinbar unüberwindbares Hindernis, die Kernhülle, blockiert. Diese besitzt zwar Poren, doch diese sind nur halb so gross wie die Viren. Die Frage, wie die Viren trotzdem ihr Erbgut in den Kern bringen, hat in den letzten 30 Jahren zahlreiche Forscher beschäftigt.

An Zelleiweiss "andocken"

Das Team von Urs Greber vom Zoologischen Institut der Universität Zürich fand nun heraus, dass die Adeno-Viren in unmittelbarer Nähe einer Pore an ein bestimmtes Kernhüllen-Protein andocken.

Dort warten sie, bis ein anderes zelluläres Protein, das Histon H1, den Kern verlässt. Das Histon ist hauptsächlich für die Verpackung des Erbmaterials der Zelle im Zellkern zuständig. Warum es ab und zu den Zellkern verlässt, ist nicht bekannt. Trifft das Histon auf ein Adeno-Virus, so legt es sich um diesen Eindringling.

Weil das Histon sehr wichtig ist für den Zellkern, werden so genannte Importfaktoren ausgeschickt, um es zurück zu holen. Dies nützen die Adeno-Viren aus: Sie lösen ihre Virushülle auf und das übrig bleibende Erbmaterial des Virus ist klein genug, um zusammen mit dem Histon als blinder Passagier durch die Pore in den Zellkern zu reisen.

Hoffnung für Gentherapie...

Adeno-Viren wurden in den 50er Jahren bei einer grossangelegten Suche nach Grippe-Erregern entdeckt. Sie werden heute auch bei der Gentherapie eingesetzt. Dabei gibt man ihnen therapeutische Gene auf den Weg in den Zellkern mit. Zudem erhofft sich die Wissenschaft, gentechnisch veränderte Adeno-Viren als Zellzerstörer in der Krebstherapie oder in der Immuntherapie einsetzen zu können.

... und Bekämpfung der Viren

Mit dem nun entdeckten Weg eröffnen sich weitere Möglichkeiten. Heute wirken die meisten antiviralen Medikamente erst, wenn die Infektion schon in vollem Gange ist. Ist der Weg des Virus in den Zellkern bekannt, kann er eventuell bekämpft werden, bevor er sich vermehrt.

Die Studie ist vom Schweizer Nationalfonds mitfinanziert und wurde in der Dezemberausgabe des wissenschaftlichen Fachmagazins Nature Cell Biology publiziert.

swissinfo und Agenturen

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