US-Begehren stösst in der Schweiz auf taube Ohren
Die Landesregierung weigert sich, ein Nicht-Auslieferungs-Abkommen für US-Bürger zu unterzeichnen, wie das Washington wünscht.
Die Schweiz unterstützt die USA in ihren Bemühungen nicht, den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zu untergraben.
"Ich bin der Meinung, dass die Schweiz keinen solchen Vertrag eingehen soll", sagte Aussenminister Joseph Deiss am Dienstag an einer Pressekonferenz in Bern. Die Schweiz habe sich immer für einen starken Gerichtshof eingesetzt, der möglichst universell tätig sein soll. Ausnahmeregelungen, wie sie den USA vorschwebten, stünden diesem Grundsatz entgegen.
Die USA möchten mit einzelnen Staaten solche Nicht-Auslieferungs-Abkommen schliessen, um ihre Staatsbürger noch umfassender vor dem ICC zu schützen. Bisher haben die USA mit Israel und Rumänien solche Abkommen geschlossen.
Die Schweiz war von den USA mündlich angefragt worden, ob sie bereit sei, ein Abkommen über die Nichtüberstellung von US-Staatsbürgern an den ICC abzuschliessen.
Schweizer Engagement
Die Schweiz hatte sich für die Schaffung des ICC ausserordentlich engagiert. Die Schweizerin Carla Del Ponte ist ICC-Chefanklägerin. Aussenminister Joseph Deiss hatte bereits im Juli die USA wegen deren Torpedierung des ICC kritisiert. "Recht kommt vor Macht", sagte er und bezeichnete ein allfälliges Abseitsstehen der USA als "kein gutes Zeichen für die internationale Staatengemeinschaft".
Schweiz befürchtet keine Folgen
An der Medienkonferenz in Bern sagte Bundesrat Deiss, die Schweiz fühle sich von den USA nicht unter Druck gesetzt. "Von Beginn an gab es offene Diskussionen mit den US-Behörden. Beide Seiten hatten einfach unterschiedliche Meinungen."
Das Nein der Schweiz werde keine Folgen haben, auch innerhalb der "Partnerschaft für den Frieden" nicht, meinte Deiss. "Ich hoffe nur, dass die USA die Aktivitäten des ICC nicht behindern werden. Und ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass die USA schliesslich doch noch am ICC teilnehmen, der doch genau jene Werte vertritt, für die wir, aber auch die USA stehen."
Scheinheilige USA
Die Absage der Schweiz an die USA wurde von den Demokratischen Juristinnen und Juristen der Schweiz (DJS) begrüsst. "Bundesrat Deiss hat einen weisen Entscheid gefällt. Der ICC bedeutet einen humanitären Fortschritt", sagte DJS-Präsident Rudolf Schaller gegenüber swissinfo.
Die Haltung der USA bezeichnete er als "scheinheilig": Einerseits fordere Washington Demokratie und Menschenrechte auf der ganzen Welt, andererseits sei ein funktionierender ICC den USA ein Dorn im Auge, sagte Schaller.
Die US-Botschaft wollte sich zum Entscheid von Bundesrat Deiss nicht äussern. Gegenüber swissinfo hiess es: "No comment".
Ein wichtiges Instrument
Der Internationale Strafgerichtshof ist für die Beurteilung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig. Die Strafverfolgung bleibt allerdings in erster Linie Sache der innerstaatlichen Behörden. Der Gerichtshof, seit 1. Juli dieses Jahres in Kraft, wird erst tätig, wenn die nationalen Behörden die Verbrechen nicht ernsthaft verfolgen.
Die ICC-Vertragsstaaten wollen sich vom 3. bis 10. September in New York ein erstes Mal treffen.
swissinfo
Fakten
11. Dezember 1995: Vorbereitungsarbeiten für ICC beginnen.
17. Juli 1998: 139 Nationen unterzeichnen das Römer Statut zur ICC-Gründung.
1. Juli 2002: Über 60 Staaten ratififizieren das Römer Statut. Damit steht der ICC.
Bis heute haben 77 Nationen den ICC ratifiziert.
ICC-Kostenrahmen bis Ende 2003: Rund 45 Mio. Franken.
In Kürze
Der Internationale Strafgerichtshof ist für die Beurteilung von Völkermord , Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig. Die Strafverfolgung bleibt allerdings in erster Linie Sache der innerstaatlichen Behörden. Der Gerichtshof, der seit 1. Juli dieses Jahres Tatsache ist, wird erst tätig, wenn die nationalen Behörden die Verbrechen nicht ernsthaft verfolgen.
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