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Urteil: Das "Killergame" ist nicht grausam

Der Mediamarkt beschränkt den Verkauf von "Stranglehold" auf Kunden über 18 Jahren. (swissinfo)

Im schweizweit ersten Strafverfahren gegen den Verkauf von gewalttätigen Computerspielen ist es diese Woche zu einem Freispruch gekommen. Die erste Gerichtsinstanz beurteilte das Spiel "Stranglehold" nicht als grausam.

Dieser Inhalt wurde am 11. Juni 2008 - 15:01 publiziert

Grausamkeit gilt als eines der Merkmale, die gemäss Artikel 135 des Strafgesetzbuches vorliegen müssen, damit der Tatbestand der Gewaltdarstellung erfüllt ist. Es fehlen auch die Merkmale der eindringlichen Darstellung und der schweren Verletzung der elementaren Würde des Menschen, stellte Einzelrichterin Christine Schaer fest.

In "Stranglehold" gebe es zwar Blutspritzer und Blutlachen, aber diese würden weder lange noch im Detail gezeigt. Eine grausame Gewalttätigkeit im Sinne des Gesetzes wäre gemäss Rechtslehre die Darstellung von Folter. Zwar sei das Spiel ein so genanntes Killergame, aber nicht ein verbotenes.

Angeklagt war der Geschäftsführer einer Media-Markt-Filiale im Raum Bern, weil diese "Stranglehold" verkauft. Der Media-Markt veräussert das Spiel nur an über 18-Jährige. Doch gemäss einem Bericht der "Neuen Zürcher Zeitung" haben zahlreiche 14-Jährige Zugang zum Spiel.

Anzeige erstattet hatte der Berner SP-Grossrat und Schulleiter Roland Näf. "Das Urteil bestätigt meine Auffassung, dass das bestehende Gesetz nicht genügt", sagte Näf nach dem Freispruch vor den Medien.

Unterschied zwischen Spiel und realem Leben

Laut Allan Guggenbühl, Kinder- und Jugendpsychologe an der Universität Zürich, sind die meisten Kinder in der Lage, zwischen Spiel und realem Leben zu unterscheiden.

"Für die überwiegende Mehrheit der Kinder haben diese Spiele keinen negativen Einfluss, weil sie sehr wohl zwischen virtueller Realität und ihrem eigenen Leben unterscheiden können", sagte er gegenüber swissinfo.

Der Psychologe, der schon Politiker beschuldigt hatte, Kinder als politisches Pfand zu missbrauchen, erklärte, es sei etwas zu einfach, Computerspiele für die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen verantwortlich zu machen. Guggenbühl hält es für wenig sinnvoll, die Gewalt in Videogames gesetzlich zu regeln.

"Heuchlerisch"

"Das ist scheinheilig und unausgereift", sagte er. "Wir wollen den Kindern nicht erlauben, von Gewalt fasziniert zu sein. Dabei ist die Faszination durch Gewalt in unserer Gesellschaft sehr stark."

Erwachsene würden sich Tag für Tag in den Nachrichten gewalttätigen Szenen aussetzen. Da sei es nur natürlich, dass Kinder dies auch wollten, wenn auch auf "eher spielerische Art", so Guggenbühl.

Lesen und draussen Spielen sei heute bei vielen Jugendlichen nicht mehr so beliebt. Zudem würden die Kinder in der Schule nicht gut genug für die modernen Medien sensibilisiert, meint der Psychologe.

Mehr Zeit für Computerspiele als fürs Kino

Laut dem Bericht der "NZZ" verbringen Kinder heute fünf Stunden pro Woche mit Computerspielen. 2007 wurde damit 429 Mio. Franken umgesetzt, was einer Zunahme von 40% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das ist mehr, als in der Schweiz in der gleichen Zeit fürs Kino ausgegeben wurde.

Guggenbühl ermuntert die Eltern, sich mit den Computerspielen ihrer Kinder vertraut zu machen. Sie sollten ihren Kindern dabei zeitliche Grenzen zu setzen. "Die Frage ist, wie viel Zeit sie mit Computerspielen verbringen", erklärte er.

Ausserdem empfiehlt der Psychologe den Eltern, mit ihren Kindern über die Spiele zu sprechen und sogar hin und wieder mitzuspielen.

swissinfo, Justin Häne
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)

Europäische Alters-Einstufung

Pan European Game Information (Pegi) ist ein Alterseinstufungs-System für Computer- und Videospiele, das die Spielkonsolen-Hersteller freiwillig eingeführt haben und in 16 europäischen Ländern zur Anwendung kommt.

Die Filme werden bezüglich Sprache, Darstellung von Diskriminierung, Drogenmissbrauch, Niveau der Angst, Spielsucht, Sex und Gewalt untersucht und für entsprechende Altersstufen empfohlen.

Das System wurde in Zusammenarbeit mit Konsumenten, Eltern und religiösen Gruppen entwickelt.

Gemäss diesen Empfehlungen verkauft Media Markt "Stranglehold" nur an Jugendliche ab 18 Jahren.

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Allan Guggenbühl

Allan Guggenbühl ist Leiter der Abteilung für Gruppenpsychotherapie für Kinder und Jugendliche an der kantonalen Erziehungsberatung der Stadt Bern und des Instituts für Konfliktmanagement und Mythodrama (IKM) in Bern und Zürich/Stockholm.

Er doziert über Psychologie und Pädagogik an verschiedenen Schweizer Hochschulen.

Guggenbühl ist Autor mehrerer Bücher und Artikel und amtet als kantonaler Schulberater.

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