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Überflieger Ammann symbolisiert Sportjahr 2010

Zwei Ohrringe? Simon Ammann mit seinen Olympia-Goldmedaillen Nummer 3 und 4. Keystone

Die Schweizer Fussballer sorgten an der WM-Endrunde in Südafrika für eine Enttäuschung. Dass 2010 aus Schweizer Sicht dennoch ein hervorragender Sportjahrgang war, ist vor allem das Verdienst von Athleten mit Skis an den Füssen.

Dieser Inhalt wurde am 26. Dezember 2010 publiziert Minuten
swissinfo.ch

Schweizer Sportfans hatten zu Jahresbeginn allen Grund zur Hoffnung: Einerseits hatten die Schweizer Wintersportler signalisiert, dass sie an den Olympischen Winterspielen in Vancouver parat für Medaillen sein würden. Andererseits war die Fussball-Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in Südafrika qualifiziert.

Dass die Schweizer Athletinnen und Athleten im milden Winter Kanadas aber neun Goldmedaillen holten, überstieg selbst die Vorstellungen der kühnsten Optimisten.

Überstrahlt wurde das hervorragende Abschneiden von Simon Ammann. Acht Jahre nach seinem olympischen Doppel-Gold von Salt Lake City gelang dem Skispringer die Wiederholung seines Husarenstücks: Die überlegenen Siege auf der kleinen und der grossen Schanze machen den vierfachen Gold-Träger zum erfolgreichsten Schweizer Olympioniken und auch zum besten Skispringer der Geschichte.

Da Ammann mit neun Siegen in Folge zudem als erster Schweizer den Skisprung-Weltcup gewann und sozusagen im Vorbeifliegen auch noch den Pokal des Skiflug-Weltmeisters holte, ist es nur logisch, dass der St. Galler zum Schweizer Sportler des Jahres erkoren wurde.

Didier, aber nicht Cuche

Auch in der Abfahrt, der Königsdisziplin der Alpinen, stand in Vancouver ein Schweizer zuoberst auf dem Podest: Aber nicht Kronfavorit Didier Cuche raste zu Olympiagold, sondern etwas überraschend Namensvetter Didier Defago.

Carlo Janka stand dem Teamkollegen in nichts nach und gewann Olympiagold im Riesenslalom. Seinem Übernamen Iceman alle Ehre machend, zeigte der Bündner auch im Moment seines grössten Erfolgs praktisch null Regung, zumindest gegen aussen. Im März krönte Janka seinen grossartigen Winter mit dem Sieg des Gesamtweltcups – erstmals nach 1992 ist wieder ein Schweizer bester Skifahrer der Welt.

Historische Siege

Einen historischen Sieg feierte in Vancouver Mike Schmid: Der Berner Oberländer, dessen Namen bis dahin kaum über seinen Wohnort Frutigen hinaus bekannt war, gewann die Olympia-Premiere im Ski-Cross.

Einen Erfolg für die Geschichtsbücher gab es auch auf den schmalen Latten: Dario Cologna skatete über 15 Kilometer zum ersten Schweizer Olympiasieg im Langlauf überhaupt.

An den Paralympics, den Olympischen Spielen der Behinderten, die gleich im Anschluss in Vancouver stattfanden, siegte Christoph Kunz in der Abfahrt sitzend. Für diesen Erfolg auf einer ultraschnellen, beinharten Piste wurde der Berner Oberländer mit dem Titel Schweizer Behinderten-Sportler des Jahres gekrönt.

Höhepunkt der Lächerlichkeit

Auf zwei Rädern war es einmal mehr Fabian Cancellara, der die Schweizer Farben hochhielt: Im Frühling gelang dem Berner mit zwei veritablen Machtdemonstrationen an der Flandern-Rundfahrt und bei Paris-Roubaix das Klassiker-Double.

Neider vor allem aus Italien und Belgien unterstellten Cancellara danach mit fragwürdigen Videos, die im Internet zu sehen waren, ein Rennvelo mit verstecktem Elektromotor eingesetzt zu haben.

Mit seinem Sieg im Prolog der Tour de France (3. Juli) und dem vierten Weltmeistertitel im Zeitfahren (30. September) gab Cancellara die einzig richtige "Antwort" - auf dem Asphalt, mit zuvor streng examiniertem Velo.

Ernüchterung auf dem Rasen

Die Schweizer Fussballer waren mit viel Vorschusslorbeeren nach Südafrika gereist. Zwar sorgten die Spieler von Trainer Ottmar Hitzfeld mit dem historischen 1:0 von Durban über Mitfavorit und Europameister Spanien für eine der grössten Überraschungen des Turniers. Erstmals überhaupt war es der Schweiz gelungen, die spanischem Ballkünstler zu schlagen.

Doch der Starterfolg gegen die nachmaligen Weltmeister wurde durch die schwachen Spiele gegen Chile (0:1-Niederlage) und vor allem Honduras (0:0-Remis) zum Muster ohne Wert - nach gut 270 Minuten war die Schweizer Mission am Kap beendet.

Die Negativ-Schlagzeilen wurden die Fussballer auch in der Qualifikation für die EM 2012 nicht los: Nach drei von acht Spielen liegt die Schweiz mit lediglich drei Punkten weit hinter Montenegro (10 Punkte) und England (7) zurück auf Platz drei.

Der nächste Termin vom 26. März 2011 wird bereits zum Schlüsselspiel: Verlieren die Schweizer, sind sie erstmals seit 2004 nicht mehr an einer EM- oder WM-Endrunde dabei.

Federer mit erklärbarem "Sommerloch"

Besser machte es Roger Federer: Der Schweizer Champion fand zwar auch dieses Jahr nicht ganz zu seinem magischen Tennis zurück. Er gewann zwar im Januar mit dem Australian Open seinen 16. Grand-Slam-Titel.

Im Sommer bremsten ihn aber gesundheitliche Probleme: Out am French Open, out auch auf "seinem" Rasen von Wimbledon, beide Male bereits im Viertelfinale – es waren ganz bittere Momente für den sieggewohnten Champion. Nur eine Woche vom absoluten Rekord Pete Sampras' entfernt, der 286 Wochen ununterbrochen an der Spitze des ATP-Rankings lag, musste sich Federer vom Rivalen Rafael Nadal übertrumpfen lassen.

Aber Kritiker, die ihn einmal mehr hatten abschreiben wollen, belehrte Federer Ende November an den ATP World Tour Finals in London eines besseren: Sein Sieg gegen Nadal trug Federer seinen insgesamt fünften Titel eines Tennis-Weltmeisters ein.

"Wunder" von Barcelona

Während Federer im Sommer unten durch musste, lief mitten in der heissen Jahreszeit ein anderer Schweizer auf den Gipfel seiner eindrücklichen Karriere: Viktor Röthlin gewann an den Europameisterschaften von Barcelona Marathon-Gold. Eindrücklich war die Art und Weise, wie der Innerschweizer das Rennen auf jedem der  42'195 Meter unter Kontrolle hatte.

Noch eindrücklicher aber wurde der Exploit, weil Röthlin im Vorjahr nach zwei Lungenembolien um die Fortsetzung seiner Laufbahn hatte fürchten müssen und zudem von einer hartnäckigen Fersenverletzung geplagt war.

Ammann, Defago, Janka, Cologna, Röthlin und Cancellara sind alles hochdekortierte Sportler, die den höchsten Respekt von Konkurrenten und Fans geniessen. Aber keiner, selbst ein Roger Federer nicht, darf sich in der Schweiz König nennen. Dieser Titel steht nur einem zu: Kilian Wenger.

Am Eidgenössischen Schwingfest Ende August in Frauenfeld legte der 20-jährige Diemtigtaler sämtliche Gegner im Sägemehlring auf den Rücken und wurde Schwingerkönig. Gekrönt mit Lorbeerkranz und Stier Arnold, dem obligaten "Sieger-Muni", trat der Berner Oberländer mit den Gardemassen von 1,90m Grösse und 103 Kilo Gewicht seine dreijährige Regentschaft an.

Wo sind denn die Schweizer Frauen 2010 geblieben, mag man sich fragen. Sie standen klar im Schatten der Kollegen. In Vancouver holte Snowboarderin Olivia Nobs mit Bronze die einzige Medaille bei den Damen. Ariella Kaeslin, zum dritten Mal zur Schweizer Sportlerin des Jahres gekürt, verpasste an den Kunstturn-Weltmeisterschaften als Vierte im Pferdsprung eine Medaille um ein paar Tausendstelpunkte.

WM-Medaillen Nummer 16 und 17 gab es dafür für Simon Niggli: Die beste Orientierungsläuferin aller Zeiten holte sich an der WM in Norwegen Gold im Sprint sowie über die Langdistanz.

Schweizer Sportler des Jahres 2010

Herren: Simon Ammann (Skispringen).

2. Kilian Wenger (Schwingen), 3. Roger Federer (Tennis).

Frauen: Ariella Kaeslin (Turnen).

2. Simone Niggli (Orientierungslauf), 3. Nicola Spirig (Triathlon).

Mannschaft: U17-Fussballnationalteam.

2. FC Basel, 3. Eishockey-Nationalteam.

Aufsteiger: Mike Schmid (Ski Cross).

2. Nino Niederreiter (Eishockey), 3. Lisa Urech (Leichtathletik).

Behindertensportler: Christoph Kunz (Monoskifahrer).

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Flops des Jahres

Im Februar verliert beim America's Cup der hochgelobte Trimaran von Alinghi gegen Oracle BMW sang- und klanglos.

Im April wird der Radprofi Thomas Frei positiv auf Doping getestet und wird vom amerikanisch-schweizerischen Team BMC entlassen.

Die Berner Young Boys verlieren auf der Zielgeraden die Schweizer Fussball-Meisterschaft an den FC Basel. YB hatte zeitweilig 13 Punkte Vorsprung besessen.

Der Weltussballverband Fifa mit Sitz in Zürich unter Präsident Sepp Blatter gerät Ende Jahr tief in einen Korruptionsskandal: Zwei Mitglieder des Fifa-Exekutivrates zeigten sich verdeckt arbeitenden Journalisten gegenüber bereit, ihre Stimmen für die Vergabe der WM-Austragungen 2018 und 2022 zu verkaufen.

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Comeback des Jahres

Skirennfahrer Daniel Albrecht fährt am 5. Dezember beim Riesenslalom von Park City mit einem Rückstand von 2,84 Sekunden auf den 21. Rang und gewinnt 10 Weltcuppunkte.

681 Tage zuvor, am 22. Januar 2009, war der Walliser im Training zur Hahnenkamm-Abfahrt bei rund 140km/h schwer gestürzt.

Albrecht zog sich schwere Kopf- und Lungenverletzungen zu und lag drei Wochen im künstlichen Koma.

Danach begann er mit langwierigem Rehabilitationstraining, bei dem er körperliche wie auch kognitive Fähigkeiten wieder antrainieren musste.

Die behandelnden Ärzte waren sich nicht sicher gewesen, ob er jemals wieder in den Skizirkus würde zurückkehren können.

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