Thomas Cook steigt mit Intourist in den russischen Reisemarkt ein (Zus.)
(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz, Übernahmepläne, Aktienkurs)
PETERBOROUGH/MOSKAU (awp international) - Europas zweitgrösster Reiseveranstalter Thomas Cook steigt nach jahrelangen Verhandlungen in den russischen Markt ein. Der Konzern, der in Deutschland vor allem mit der Marke Neckermann Reisen präsent ist, übernimmt für bis zu 45 Millionen US-Dollar (34 Mio Euro) die Mehrheit an den Reisebüros und dem Veranstaltergeschäft von VAO Intourist. "Wir sind überzeugt, dass wir gemeinsam mit dem starken Management von Intourist eine führende Marktposition einnehmen und Umsatz sowie Profite steigern können", sagte Thomas-Cook-Chef Manny Fontenla-Novoa am Donnerstag. Der russische Reisemarkt werde in den nächsten Jahren kräftig wachsen.
Die Aktie der ehemaligen Arcandor-Tochter legte bis zum Nachmittag in London zu. Zuletzt wurden die Thomas-Cook-Papiere mit 192,30 britischen Pence gehandelt, ein Plus von 1,22 Prozent.
Mit Intourist hat Thomas Cook nach eigenen Angaben den ältesten Reiseanbieter Russlands an Land gezogen. Das Gemeinschaftsunternehmen umfasst das Veranstaltergeschäft und den Vertrieb mit den 144 Reisebüros der Russen. Im Krisenjahr 2009 reisten 650.000 Menschen mit Intourist. Der operative Gewinn ging wegen der Wirtschaftskrise von 12,5 auf 5,3 Millionen Dollar zurück, vor Steuern stand ein Verlust von 4,2 Millionen Dollar. Von Januar bis September 2010 verzeichnete das Unternehmen allerdings ein Buchungsplus von 30 Prozent.
Bislang gehört Intourist zu rund zwei Dritteln dem russischen Mischkonzern JSFC Sistema, die restlichen Anteile hält die Stadt Moskau. Die Hotels und die Managementfirma der Russen bleiben bei dem Geschäft mit Thomas Cook aussen vor.
Während der Reisemarkt in Mitteleuropa als gesättigt gilt, sehen Reisekonzerne wie Thomas Cook und die Tui-Tochter Tui Travel in Russland noch deutliches Wachstumspotenzial. Von den 142 Millionen Russen hätten im vergangenen Jahre 6 Millionen Pauschalreisen ins Ausland gebucht, vor allem in die Türkei und nach Ägypten. Dieser Markt dürfte in den kommenden Jahren um einen zweistelligen Prozentsatz wachsen, hiess es.
Die Bildung des Gemeinschaftsunternehmens, an dem Thomas Cook 50,1 Prozent halten will, soll spätestens im Februar 2011 abgeschlossen sein. Von den 45 Millionen Dollar sollen 10 Millionen in bar und 35 Millionen in Form von Thomas-Cook-Aktien fliessen. Die russischen Behörden müssen dem Geschäft dem Geschäft allerdings noch zustimmen. Dem Vertrag zufolge kann Thomas Cook binnen fünf Jahren auch die restlichen Anteile des Joint Ventures übernehmen. Dazu haben sich beide Seiten Kauf- und Verkaufsrechte zugestanden.
Das Russland-Engagement war jahrelang ein Dauerbrenner bei Thomas Cook. "Wir haben die Intourist-Leute das erste Mal vor drei Jahren getroffen", sagte Fontenla-Novoa. Er und der damalige Chef der inzwischen insolventen Konzernmutter Arcandor (Karstadt, Quelle), Thomas Middelhoff, hatten das Russland-Engagement im April 2008 der Öffentlichkeit angekündigt. Die Verhandlungen gestalteten sich jedoch schwieriger als gedacht. "Ich bin froh, dass wir uns die Zeit genommen haben", sagte der Thomas-Cook-Chef nun.
Weitere Übernahmen hat Fontenla-Novoa für die nächsten Monate nicht auf dem Zettel: "Wir wollen 2011 erst einmal unsere Zukäufe integrieren." Dies betrifft auch den Hamburger Reiseveranstalter Öger Tours, der seit neuestem zu Thomas Cook gehört. Sollte ein Veranstalter zu einem guten Preis angeboten werden, wolle man sich dem aber nicht verschliessen, sagte der Manager. Länger dauern dürfte hingegen die geplante Expansion nach China. Vor 2012 werde dies voraussichtlich nicht gelingen, sagte der Thomas-Cook-Chef./stw/alg/tw