Tessin will Bundesstrafgericht
Der Kanton Tessin kämpft für Bellinzona als Sitz des neuen Bundesstrafgerichts.
Der Bundesrat und die Mehrheit der ständerätlichen Rechtskommission wollen das Bundesstrafgericht nach Aarau und das Bundesverwaltungsgericht nach Freiburg vergeben. Sie machen vor allem geltend, dass die neuen erstinstanzlichen Gerichte nicht zu weit von der Bundesstadt entfernt sein sollten.
Praktische Gründe dürften nicht den Ausschlag geben, erklärte der Tessiner Regierungspräsident Luigi Pedrazzini einen knappen Monat vor dem Entscheid des Ständerates. An einer Medienkonferenz in Bern sagte er, der Zusammenhalt des Landes und die "institutionelle Würde" aller Regionen würden es gebieten, von den künftig vier Sitzen des Bundesgerichts mindestens einen dem Tessin zuzuweisen.
Schauplatz Tessin
Auch Ständerat Dick Marty (FDP/TI) liess das Argument der Distanzen nicht gelten. Die Staatsanwälte müssten für Einvernahmen ohnehin im ganzen Land herumreisen, und schon heute würden jährlich Hunderte von Festgenommenen vom Tessin in die übrige Schweiz befördert. Ins Tessin würden tägliche mehrere Flüge führen. Mit der Neat verkürzten sich die Reisezeiten überdies massiv.
Neben Zürich, Genf und Basel sei das Tessin ein wichtiger Schauplatz des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität, sagte Marty. Hier würden künftig viele Prozesse geführt, die in die Zuständigkeit des neuen Bundesstrafgerichts fielen. Für Aarau - "bestimmt kein Finanzplatz" - treffe dies nicht zu.
Graubünden hilft
"Die italienische Schweiz hat ein Recht auf ein Bundesgericht", sagte auch der Bündner Regierungspräsident Claudio Lardi und sicherte Bellinzona die volle Unterstützung seines Kantons zu. Stadtpräsident Paolo Agustoni empfahl Bellinzona als "eine gastfreundliche Stadt mit Gebäuden, die völlig geeignet sind, ein Bundesgericht zu beherbergen".
Zumindest indirekten Sukkurs erhielt an der Tessiner Medienkonferenz St. Gallen als Kandidat für das Bundesverwaltungsgericht. Laut Marty hat auch die Ostschweiz legitimen Anspruch auf einen Sitz. Ob es zu einer entsprechenden Allianz kommen wird, liess er offen. "Überzeugungen sind mir lieber als Allianzen."
Die andern werben auch
Vor der Debatte im Ständerat ist ein reges Standort-Lobbying im Gang. Für den 1. März haben die Kantone Aargau und Freiburg zu einer Medienkonferenz ins Bundeshaus eingeladen. Der Ausgang in der kleinen Kammer scheint offen. Je nach Abstimmungs-Prozedere gibt es Raum für taktische Manöver.
swissinfo und Agenturen

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