Swissair: Warten auf Finanzierungs-Entscheid
Ohne einen raschen Entscheid zur Zukunft einer neuen Airline besteht für die Swissair wieder akutes Konkursrisiko. Erste Konzerne zeigten sich bereit zur Mitfinanzierung. Der Sachwalter mahnt zu Eile.
Bund, Kantone sowie die Wirtschaft müssten sich bis spätestens Montag auf die Finanzierung der neuen Fluggesellschaft einigen. Sonst werde die Gewährung einer definitiven Nachlass-Stundung für die Swissair fraglich, warnte Sachwalter Karl Wüthrich in seinem zweiten wöchentlichen Lagebericht.
Noch ist die neue nationale Airline auf der Basis der Crossair also nicht startklar. Vertreter von Bund und Wirtschaft zeigen sich jedoch weiter zuversichtlich, dass die offenen Finanzierungs-Fragen bis Montag gelöst werden können.
Signale aus der Wirtschaft
Noch immer wird diskutiert, welchen Anteil die öffentliche Hand und die Wirtschaft am gesamten Kapitalbedarf von rund 4 Mrd. Franken konkret übernehmen sollen und zu welchen Bedingungen. Erste Unternehmen zeigten sich öffentlich bereit, bei der Finanzierung mitzuziehen.
"Die Zürcher Kantonalbank will sich mit 25 Mio. Franken an einer neuen schweizerischen Fluggesellschaft beteiligen", sagte ZKB- Sprecher Urs Ackermann. Zudem eruriere der Verband der Kantonalbanken, mit wie viel Geld sich auch andere Kantonalbanken engagieren könnten.
Bereits bekannt ist, dass der Besitzer des Autoimporterus AMAG, Walter Haefner, bereit ist, 200 Mio. Franken einzuschiessen. Auch André Kudelski, CEO des gleichnamigen Waadtländer Konzerns, ist offen für eine Beteiligung.
"Wenn die Unternehmen und der Staat sich beteiligen, soll dies nicht nur dem Hub in Zurich dienen, sondern auch der Westschweiz", so Kudelski. Für ihn kommt ein Engagement zwischen 3 und 10 Mio. Franken in Frage.
Beteiligung ja, aber...
Nestlé sei bereit, sich für die neue Airline einzusetzen, um den guten Ruf der Schweiz zu wahren. Wenn das Konzept der neuen Airline realistisch sei und ökonomisch Sinn mache, sei eine finanzielle Beteiligung für Nestlé interessant, sagte Konzernchef Peter Brabeck-Letmathe.
Nestlé sei bereit gleich viel wie andere Multis, etwa Novartis oder Roche, zu investieren. Auch bei diesen beiden Unternehmen wird das Dossier geprüft. "Wir haben aber noch keine Entscheide gefällt", sagte Roche-Sprecher Daniel Pillier.
Die Swatch Group kann sich eine Beteiligung vorstellen, doch nur bei entsprechend qualifiziertem Verwaltungsrat und Management, sagte Firmensprecherin Beatrice Howald. Über die Höhe der Beteiligung machte sie keine Angaben.
Auch Thomas Schmidheiny ist bereit, sich zu engagieren. Der Chef des Zement-Herstellers Holcim (bis letzten Frühling VR-Mitglied der Swissair Group), stellt die gleiche Bedingung wie Nestlé: Auch andere müssen sich anschliessen. Ebenfalls beteiligen will sich der auf Gartenbau spezialisierte Unternehmer Werner Spross.
Wieviel Geld bereits zusammenkam, blieb auch am Freitag offen. Für das Wochenende sind weitere Treffen zwischen Wirtschaftsvertretern und Bundespräsident Moritz Leuenberger, Finanzminister Kaspar Villiger sowie Wirtschaftsminister Pascal Couchepin geplant.
Zwei Szenarien
Der Sachwalter Karl Wüthrich setzte sich seinerseits in den vergangenen Tagen vor allem mit zwei möglichen Szenarien auseinander:
Falls sich Bund, Kantone und Wirtschaft bis Montag zur Finanzierung einer neuen interkontinentalen Fluggesellschaft entschieden, könne die provisorische Nachlass-Stundung weitergehen. Bei der Struktur der Finanzierung dürften aber die Interessen der bisherigen Gläubiger nicht verletzt werden.
Bei einem Nein oder einem Nicht-Entscheid bis Montag besteht das Risiko eines Konkurses oder Teilkonkurses. Für den Sachwalter stelle sich in diesem Fall verschärft die Frage, ob die in provisorischer Nachlass-Stundung stehenden Swissair-Gesellschaften "noch darauf hoffen könnten, die gesetzlich umschriebenen Bedingungen für die definitive Nachlass-Stundung zu erfüllen", schreibt Wüthrich.
In beiden Fällen habe er "ein besonderes Augenmerk namentlich auf den Schutz der privilegierten Mitarbeiterforderungen (Löhne, Sozialpläne) zu richten". Seine oberste Pflicht sei es, die Interessen der Gläubiger der sechs Firmen SAirGroup, SAirLines, Flightlease AG, Swissair Schweizerische Luftverkehrs AG, Swisscargo AG und Cargologic AG zu wahren, so Wüthrich weiter. Die von den zuständigen Nachlass-Richtern gewährte Nachlassfrist läuft vorerst bis Anfang Dezember.
Überbrückungs-Kredit steht noch immer nicht
Der Überbrückungs-Kredit für die flugnahen Betriebe der in Nachlass-Stundung stehenden Swissair Group ist derweil noch immer nicht gesprochen worden. Dabei geht es um 250 Millionen Franken für die Bereiche Technik, Bodendienste, Flugzeug-Verpflegung und die Informatikfirma Atraxis.
Wüthrich forderte die Swissair-Group-Verantwortlichen zu einer umfassenden Dokumentation über allfällige Zahlungen auf, die kurz vor Gewährung der Nachlass-Stundung von Anfang Oktober erfolgt sein könnten.
In den vergangenen Tagen führte Wüthrich gemäss seinem Lagebericht unter unsicheren und rasch wechselnden Rahmen-Bedingungen intensive Gespräche mit Verwaltungsrat und Konzernleitung der Swissair Group, mit Verantwortlichen der einzelnen Gesellschaften, den Personalvertretungen und den Vertretern des Bundes.
Provisorischer Flugplan
Die Crossair will 38 Übersee-Destinationen anfliegen, falls die Übernahme von 26 Langstrecken-Jets der maroden Swissair finanziert wird. Der provisorische Crossair-Swissair-Winterflugplan wurde am Freitag veröffentlicht.
Praktisch alle Langstreckenflüge sind gemäss der vorläufigen Liste ab Kloten vorgesehen. Der Flughafen soll 37 interkontinentale Destinationen in 26 Ländern bedienen. Darunter befinden sich sechs Städte in den USA und neun afrikanische Städte. Von Genf aus werden zudem 20 europäische Städte in elf Ländern angeflogen. Von Basel-Mülhausen aus bedient die Crossair 33 Städte in elf Ländern.
swissinfo und Agenturen

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