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Superbörse oder Riesenflop?

Die Superbörse virt-x ist der schweizerische Börsen-Eintritt in die EU. swissinfo.ch

Seit Montag (25. 06.) werden die Schweizer Blue Chips an der elektronischen Börse virt-x in London gehandelt. Der Handel mit europäischen Standardwerten soll dadurch billiger werden. Kritiker fürchten jedoch weitreichende negative Folgen für den Finanzplatz Schweiz.

Dieser Inhalt wurde am 25. Juni 2001 publiziert Minuten

Die Schweizerisch-britische Bluechip-Börse virt-x ist am Montag in London termingerecht gestartet. Der Start sei problemlos über die Bühne gegangen, sagte Börsen-Sprecher Leo Hug auf Anfrage.

virt-x ist die erste elektronische Börse Europas und die Antwort der Schweizer Börse auf die Konzentration der Aktien-Handelsplätze. Stationiert ist sie in London. 29 Schweizer Aktien aus dem Swiss Market Index (SMI) werden an ihr gehandelt. Sie ist ein Gemeinschafts-Unternehmen der Schweizer Börse (SWX) und der elektronischen Londoner Börse Tradepoint.

Ziel der virt-x ist es, die Position der Schweiz zu stärken, den Handel und das Abwickeln von internationalen Wertpapier-Geschäften einfacher und kostengünstiger zu machen sowie letztlich die erste pan-europäische Börse mit 600 Blue Chips zu werden. Denn die Schweizer Standardwerte sollen virt-x auch für andere europäische Top-Titel attraktiv machen.

Kampf um den ersten Platz

Die Börsenlandschaft Europas sei noch stark fragmentiert, erklärt virt-x-Chefin Antoinette Hunziker-Ebneter. "Es besteht ein grosses Konsolidierungs-Potenzial." Die Banken, so Hunziker-Ebneter, seien nicht mehr gewillt, dieses kostenintensive System zu finanzieren. Zwei bis drei Systeme würden genügen. "Wir wollen dazugehören", betont die virt-x-Chefin.

Auch nach Auffassung von Michel Dubois, Professor an der Universität Neuenburg, wird es in Europa mittelfristig nur noch zwei grosse Börsen geben. Um diese zwei Plätze kämpfen momentan London, EuroNext (Paris, Amsterdam, Brüssel), Frankfurt und Zürich. Alle anderen Börsen werden sich auf Nischenangebote wie Titel von KMU's spezialisieren müssen.

Gerade die Einführung des Euros auf den 1. Januar 2002 wird die Integration der europäischen Kapitalmärkte weiter vorantreiben. Auch bei den Börsen ist somit mit einem verstärkten Konzentrations-Prozess zu rechnen.

Finanzplatz Schweiz stark betroffen

Die Verlegung der Schweizer Titel nach London hat einschneidende Folgen für den Finanzplatz Schweiz. Einerseits gehen dem Bund gemäss Eidgenössische Steuerverwaltung (ESV) jährlich rund 228. Mio Franken, gemäss verschiedenen Börsenhändlern gar bis zu 800 Mio. Franken Stempelsteuer verlustigt. Denn Ausländer können die Verwaltung ihres Portefeuilles nun auch einem ausländischen Institut bzw. einer ausländischen Niederlassung eines Schweizer Vermögens-Verwalters übertragen, um die Stempelsteuer zu umgehen. Das kann zu einer Benachteiligung der Schweizer Banken bzw. zur Auslagerung des Handels führen. Befürchtet wird somit, dass nebst den Einnahmen auch Arbeitsplätze in der Schweiz verloren gehen.

Zudem sehen auch kleinere und mittlere kotierte Schweizer Unternehmen die Gefahr, dass sie an Bedeutung und Aufmerksamkeit verlieren. Das heisst, deren Titel könnten unattraktiver und damit teurer werden. Kleinanleger andererseits werden nur beim Handel mit ausländischen Titeln, nicht jedoch bei den helvetischen einen Kostenvorteil haben.

Neue Ära oder Rieseflop

Der Erfolg der virt-x hängt von der Liquidität ab. Um lebensfähig zu sein, muss die neue Börse unter den europäischen Blue Chips ein genügend grosses Handelsvolumen anziehen, also für andere Teilnehmer möglichst rasch attraktiv werden. Warten diese ab, könnte virt-x wie bereits Tradepoint scheitern.

Viele wichtige Mitglieder fehlen jedenfalls noch: so Banken aus Holland, Schweden, Finnland, Spanien oder Italien. Auch zwei deutsche Grossbanken sind noch nicht dabei. Liechtenstein verzichtet völlig, da es um das Bankgeheimnis fürchtet. Die Schweiz ist davon, wie Daniel Scheibler, Chef-Ökonom der Bank Sarasin erklärt, nicht betroffen. "Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) hat sich mit der englischen Finanzaufsicht geeinigt, dass die Schweizer Mitglieder weiterhin der EBK unterstehen und das Bankgeheimnis gesichert ist."

Carole Gürtler

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