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Meinung

"Mogelpackung mit verheerender Auswirkung auf Service Public"

Die Verteidigung des Service Public ist den Gewerkschaften ein wichtiges Anliegen. Trotzdem bekämpfen sie die Initiative "Pro Service Public". Dieser Vorschlag halte keines seiner Versprechen, argumentiert Dore Heim, Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds.

Dieser Inhalt wurde am 22. April 2016 - 11:06 publiziert
Dore Heim, Schweizerischer Gewerkschaftsbund

Runter mit den Preisen und rauf mit dem Service! Das verspricht die Service public-Initiative. Deshalb soll in der Grundversorgung nicht nach Gewinn gestrebt werden, es sollen keine anderen Bereiche damit querfinanziert werden und die Löhne der Mitarbeitenden in den Unternehmen sollen nicht höher sein als die der Bundesangestellten. Die Gewerkschaften bekämpfen die Initiative, weil sie im Gegensatz zu den Versprechen der Initianten verheerende Folgen haben wird:

"Standpunkt"

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1. Heute haben die Infrastrukturunternehmen Post, SBB und Swisscom den expliziten Auftrag des Bundesrats, Gewinn zu erwirtschaften. Und es gibt tatsächlich einige Bereiche der Grundversorgung, die äusserst lukrativ sind, so zum Beispiel der Personenfernverkehr der SBB oder der Zahlungsverkehr der PostFinance. Ob dieser Auftrag des Gewinnstrebens nach Annahme der Initiative noch legitim wäre, ist höchst fraglich. Im Fall der SBB, die 2015 131 Mio. Fr. mit dem Personenverkehr erwirtschaftet hat, hiesse das dann, dass der Bund entsprechend mehr Geld einschiessen müsste, um die hohen Kosten der Schieneninfrastruktur zu finanzieren.

2. Heute haben wir bei der Post eine wechselseitige Querfinanzierung: Der Bund finanziert den Betrieb von PostAuto jährlich mit rund 200 Mio. Fr. und subventioniert mit 50 Mio. Fr. den Zeitungsversand der Post. Handkehrum sind im letzten Jahr aus dem Unternehmensgewinn der Post 200 Mio. Franken in die Bundeskasse geflossen. Im Falle der Annahme der Initiative würde die Post nur noch kosten, aber keinen Ertrag mehr einbringen. Wie schnell käme da der Ruf der bürgerlichen Mehrheit, die Grundversorgung mit postalischen Dienstleistungen einzugrenzen?

3. Die Swisscom ist eine private Aktiengesellschaft mit vielen Kleinaktionären. Die Initiative würde nicht mehr zulassen, dass Dividenden ausgeschüttet würden. Der Bund müsste alle Kleinaktionäre auszahlen, was er finanziell gar nicht stemmen kann. Also zieht er sich zurück und überlässt die Aktienmehrheit Privaten. Damit wäre die Swisscom dann vollprivatisiert und die öffentliche Hand hätte keinen Einfluss mehr auf die Geschäfts- und Personalpolitik.

Dore Heim ist geschäftsführende Sekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. Sie ist insbesondere für die Dossiers Service Public, Infrastruktur- und Energiepolitik sowie für die Verhandlungsgemeinschaft Bundespersonal verantwortlich. Zuvor (1999 – 2012) hatte sie das Gleichstellungsbüro der Stadt Zürich geleitet. Yoshiko Kusano

4. Durch Swisscom und Post erhält der Bund jährlich im Durchschnitt rund 600 Mio. Franken Einnahmen. Die Initianten behaupten, damit würden die Armeeausgaben subventioniert, und sie wollen dies mit der Initiative verhindern. Das ist reine Polemik. Wenn die Einnahmen wegfallen, muss tatsächlich gespart werden. Gespart wird aber nicht bei der Armee – das aktuelle Sparprogramm zeigt es –, gespart wird bei Bildung und Forschung, beim Bundespersonal, bei der Entwicklungszusammenarbeit, beim öffentlichen Verkehr und bei den Sozialversicherungen.

5. Entgegen der Behauptung der Initianten verlangt die Initiative eben nicht eine Plafonierung der Managerlöhne, sondern eine Anpassung der Löhne aller Mitarbeitenden an die Bundesverwaltung. Das aber schränkt den Verhandlungsspielraum der Gewerkschaften massiv ein. Denn die jährlichen Lohnverhandlungen wären immer vom Goodwill des Bundesparlaments abhängig, das als Budgetinstanz darüber bestimmt. Die Sozialpartner wären in der gesamten Lohnentwicklung ausgeschaltet!

6. Die Verbote der Initiative treffen auch alle Unternehmen, die einen Grundversorgungsauftrag haben. Nochmals am Beispiel der Swisscom: Deren Grundversorgungskonzession läuft 2017 aus. Die Swisscom dürfte sich kaum mehr um die Konzession bewerben, wenn sie mit derart einschneidenden Restriktionen verbunden ist. Der Bundesrat müsste sie dazu zwingen und dafür entschädigen. Selbst aber bekäme der Bund nichts mehr vom Gewinn ab. Dies würde wie bei der Post ein Feilschen um eine Minimalversorgung auslösen.

7. Wir rechnen auch damit, dass die Initiative zu einer Aufspaltung der Unternehmen führen würde: Die profitablen Bereiche würden privatisiert, die defizitären bleiben beim Staat. Eine miese Perspektive für die Mitarbeitenden, die heute durch einen guten GAV geschützt sind!

Die Initiative ist eine Mogelpackung. Sie würde zu Stellenabbau, verschlechterten Arbeitsbedingungen und einer Einschränkung der Grundversorgung führen.


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