Spuren der Zeit brauchen Staatshilfe
Der Bund will gefährdete Kulturdenkmäler wie Römerstrassen, Saumpfade, Natursteinbrücken oder Hohlwege schützen. Sie werden nun in der ganzen Schweiz dokumentiert und mit einer Verordnung geschützt.
Das Alpenland Schweiz ist weltbekannt für seine historischen und modernen Verkehrswege.
So wird derzeit am Gotthard der längste Bahntunnel der Welt (57 Kilometer) gebaut. 2017 soll er eröffnet werden.
Die Pionierleistungen der Vergangenheit drohen aber zu zerfallen oder von neuen Bauwerken verdrängt zu werden. Das gilt für Burganlagen, Altstädte, Barockgärten, historische Industrieanlagen ebenso wie für Saumpfade, Natursteinbrücken, Wegpflästerungen und Trockenmauern.
Private und öffentliche Bautätigkeit und der umfangreiche Ausbau von Strasse und Schiene bedrohen die Anlagen der historischen Verkehrswege.
In der ganzen Schweiz gibt es ein dichtes Netz davon. Auf zahlreichen Abschnitten mit einer Länge von insgesamt rund 3700 Kilometern ist die alte Bausubstanz noch gut sichtbar.
Auf diese gut erhaltenen Abschnitte konzentrieren sich die Schutz- und Sanierungsmassnahmen des Bundes. Zurzeit wird im Kanton St. Gallen das fünfhundert Jahre alte Trassee der Schollbergstrasse zwischen Trübbach und Sargans mit dem Ziel freigelegt, den Abschnitt in ein Netz von Wanderwegen einzugliedern.
Viele Projekte sind schon fertig gestellt, so der Felsenweg am Bürgenstock, der durch Steinschlag und Erdrutsche gefährdet war. Rutschgebiete des Felsenweges wurden mit einem neuen rund 70 Meter langen Tunnel passierbar gemacht. Steinschlagnetze sichern heute den Felsenweg.
Kein Disneyland
Um zu verhindern, dass nun überall künstliche Disney-Landschaften entstehen, achten Experten darauf, dass die Eingriffe bei der Sanierung der historischen Verkehrswege klar sichtbar gemacht werden.
Guerino Riva, vom Tiefbauamt Luzern, meint gegenüber swissinfo.ch: "Es geht darum, Bestehendes instand zu setzen, Fehlendes zu ergänzen. Wenn wir verändern, müssen wir dies mit den technischen Mitteln der Gegenwart tun."
Eine herausragende Bedeutung bei der Instandstellung historischer Verkehrswege nimmt der Sicherheitsaspekt ein. "Schutznetzte, Stahlträger, Tunnelbauten sind teuer", sagt Riva. Allein die Instandstellung des Felsenwegs am Bürgenstock habe 2 Millionen Franken gekostet.
Klar definierte Kriterien
Die erhaltenden Eingriffe in die historischen Verkehrswege erfolgen nach klaren Kriterien. Das Wichtigste bleibt der Gesamteindruck. Aus diesem Blickwinkel wurde der alte Schwyzerweg bei der Ibergergegg instand gestellt.
Fachleute haben die Zwischenräume und Spalten des traditionellen Holzprügelwegs mit einer Mischung aus Kies und Erde teilbedeckt. Jetzt ist der Weg wieder als Wanderweg begehbar und wird auch für den Viehtrieb nutzbar.
Historische Verkehrswege sind Spuren in der Landschaft. Wer sie nicht kennt und zu deuten weiss, kann ihren Wert nicht schätzen und würdigen.
Saumpfade, Natursteinbrücken, Wegpflästerungen, hohle Gassen und Pfade schlagen Brücken von der Vergangenheit in die Gegenwart. Sie zeugen von Geschichten, die Menschen vor langer Zeit erlebt haben.
Unter Schutz
Weil die historischen Verkehrswege zu den gefährdeten Kulturdenkmälern der Schweiz gehören, hat der Bundesrat, die Schweizer Regirung, zu deren Schutz ein Bundesinventar geschaffen. Alle Objekte, die darin aufgeführt sind, stehen unter Bundesschutz.
Das Inventar besteht aus umfangreichen Kartenwerken und Texten. Ins Bundesinventar wurden nur historische Verkehrswege von nationaler Bedeutung aufgenommen, die sowohl über eine herausragende geschichtliche Bedeutung als auch über eine ausserordentliche traditionelle Wegsubstanz verfügen.
Weltweit einmaliges Inventar
Das Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz ist ein weltweit einmaliges Unternehmen. Die historisch wertvollen Streckenabschnitte sind nicht nur karthographisch erfasst: Die sehr umfangreiche Dokumentation, die Listen, Kurzbeschriebe, Karten und Ansichten der alten Wege, Brücken und Pfade sind auf dem Internet einsehbar.
Der Bundesstelle "Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz (IVS)" steht pro Jahr ein Budget von 2 Millionen Franken für die Unterstützung von Projekten zur Verfügung.
"Zurzeit gibt es 20 Projektanfragen aus der ganzen Schweiz, zehn Projekte sind in Ausführung", erklärt Hans Peter Kistler, der Koordinator der Fachstelle IVS, gegenüber swissinfo.ch.
Erwin Dettling, swissinfo.ch
Rechtlicher Rahmen
1984 erteilte der Bund den Auftrag zur Erarbeitung des Inventars historischer Verkehrswege der Schweiz.
Etwa gleichzeitig und bis 2003 wurde die wissenschaftliche Grundlage zu den historischen Verkehrswegen der Schweiz erfasst und dokumentiert.
Mitte April hat nun der Bundesrat die rechtliche Grundlage in der Verordnung über das Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (VIVS) erlassen. Die Verordnung tritt am 1. Juli 2010 in Kraft.
Auftrag und Zuständigkeit
Das Bundesamt für Strassen Astra ist in der Schweiz die Fachstelle des Bundes für den Bereich "Schutz der historischen Verkehrswege".
Es hat den Auftrag, die historischen Verkehrswege von nationaler Bedeutung zu erhalten.
Das Amt beaufsichtigt die Projekte, richtet Bundesbeiträge aus und liefert Fachinformationen und Dokumentationen.
Diese sind so aufgearbeitet, dass Fachstellen von Bund und Kantonen, weitere öffentliche und private Akteure über Internet leichten Zugang zum Inventar der historischen Verkehrswege haben.
Unterschiedlicher Zustand
Die historischen Verkehrswege in der Schweiz bilden ein dichtes Netz.
Bei einem grossen Teil der Wege ist keine historische Substanz mehr erhalten.
Auf Abschnitten von rund 3700 Kilometern Länge ist die alte Bausubstanz noch gut sichtbar.
Auf diese Abschnitte konzentrieren sich die Schutz- und Erhaltungsmassnahmen des Bundes.
Verkehrswege im Kontext
Der Bund hat nicht nur die historischen Verkehrswege, sondern auch Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung inventarisiert.
Das Inventar enthält 161 Objekte mit einer Gesamtfläche von 7806 Quadratkilometern, rund 19% der Schweizer Landesfläche.

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