Schweizer in Italien auf der Suche nach neuen Köpfen
Mehr Jüngere in Vereinen und Komitees: Die Schweizer in Italien haben einen Appell lanciert, um neue Generationen einzubinden. Dieses Ziel wurde am 16. Mai beim Treffen des Dachverbands der Schweizer Vereinigungen in Italien in Senigallia unterstrichen.
Trotz der Enttäuschungen der letzten Monate, nicht zuletzt wegen Kürzungen des Schweizer Parlaments bei verschiedenen Ausgaben der Schweizer Revue , zog der scheidende Präsident Robert Engeler eine positive Bilanz.
"Der Dachverband der Schweizer Vereinigungen in Italien ist nicht nur der grösste, sondern auch der aktivste", erinnerte Engeler stolz.
"Dies ist der grösste Erfolg in den beiden Jahrzehnten meines Präsidiums: die Schönheit und Stärke der italienischen Kolonie trotz des offensichtlichen Mangels an jungen Talenten aufrechtzuerhalten."
Engeler, der mit einem langen und warmen Applaus begrüsst wurde, verabschiedete sich vom Ausschuss mit der Gewissheit, dass seine Nachfolgerin über die nötigen Kompetenzen und Energie verfügt, um diese Gemeinschaft bestens führen zu können.
"Man muss zum richtigen Zeitpunkt gehen, um den Nachfolgenden eine autonome Entscheidung zu ermöglichen, in welcher Richtung es weitergehen soll", so Engeler.
"Irene Beutler-Fauguel braucht sicher keine Ratschläge. Ich beschränke mich daher darauf, ihr eine gute Arbeit zu wünschen", erklärte er gegenüber swissinfo.ch.
Information ist wichtig
Engeler wird jedoch weiterhin dem Ausschuss der Gazzetta svizzera, der Zeitschrift für die Schweizerinnen und Schweizer in Italien, vorsitzen.
Eine Aufgabe, die immer schwieriger wird, besonders nachdem das Schweizer Parlament eine Kürzung von 500'000 Franken (bei einem Budget von 1,83 Mio. Fr.) bei der Schweizer Revue und damit auch bei der Gazzetta svizzera beschlossen hatte.
Eine Niederlage, die den Präsidenten der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (ASO), Jacques-Simon Eggly, noch immer schmerzt: "Die Eidgenossenschaft hat die Pflicht, die Schweizer Auslandgemeinde zu informieren. Eine Pflicht, die nach diesem Entscheid nicht mehr zufriedenstellend erfüllt werden kann."
Der ehemalige Nationalrat sparte nicht mit Seitenhieben an die Landesregierung, die nicht genug auf die Stimme der Fünften Schweiz höre. "Es wäre wünschenswert, wenn sich der Bundesrat bei Problemen, welche die Auslandschweizer direkt betreffen, systematisch mit der ASO beraten würde". Die Rolle dieser Institution würde damit auch besser anerkannt und offiziell gemacht.
Präsidentin mit Biss
Der Samstag war auch der Tag der Irene Beutler-Fauguel, einer sehr lebendigen und dynamischen Frau, die mit grosser Motivation und Überzeugung bereit ist, die Präsidentschaft zu übernehmen. Es war eine Premiere, waren bisher doch nur Männer an der Spitze des Dachverbandes.
Beutler-Fauguel, seit vielen Jahren Mitglied des Ausschusses im Dachverband, weiss sich sicher zu bewegen und hat sehr klare Vorstellungen. Ihre Worte aber wählt sie mit Bedacht: "Lassen sie mich ein Jahr als Präsidentin arbeiten", sagte die Frischgewählte gegenüber swissinfo.ch. "Dann kann ich ihnen genauer sagen, welches unsere Prioritäten und Forderungen sein werden."
Die neue Präsidentin lebt in der Provinz Siena. Sie stammt aus dem Luzernischen und spricht Italienisch mit einem angenehmen toskanischen Akzent. Sie ist sich des Gewichts des italienischen Verbandes bewusst.
"Im Auslandschweizer-Rat, der uns gegenüber der Eidgenossenschaft repräsentiert, wird unsere Stimme sicher gehört", so Beutler-Fauguel. "Aber nicht immer hört uns Bern auch zu. Manchmal, sage ich in aller Aufrichtigkeit, fühlen wir uns etwas im Stich gelassen."
Krise verstärkt Probleme
Laut der neuen Präsidentin sind die grössten Probleme der Auslandgemeinde in Italien nicht sehr anders als jene ihrer Landsleute in anderen Teilen der Welt. "In Zeiten der Krise verschärfen sich aber einige Probleme", so Beutler-Fauguel.
"In solchen Momenten erinnern sich viele Menschen an ihre Schweizer Herkunft und an die Existenz von Schweizer Vereinen. Einige fragen sich, ob es besser wäre, in die Schweiz zurückzukehren. Andere suchen Kontakte oder fragen uns an, ob wir von Arbeitsmöglichkeiten wissen. So macht sich die Krise bemerkbar."
Auch mache sich in Italien nach dem Seilziehen um das Bankgeheimnis ein gewisser Schaden am Image der Schweiz bemerkbar. "In Italien glaubt man immer noch, die Schweizer seien ein Volk von Reichen. Die Italiener wollen nicht einsehen, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer hart arbeitet, wie in anderen Ländern auch, und um ihre Jobs kämpfen muss."
Der Traum der neuen Präsidentin, die vor 45 Jahren nach Italien kam, ist es, "einen Ort zu schaffen, wo die schönen und positiven Seiten der beiden Länder zusammenkommen. Es wäre eine Art Paradies. Aber vielleicht laufen wir damit Gefahr, langweilig zu werden".
Françoise Gehring und Stefania Summermatter, Senigallia, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub und Gaby Ochsenbein)
Schweiz-Italien in Zahlen
Auch heute noch ist die italienische Volksgruppe die zahlreichste in der Schweiz: über eine halbe Million Menschen besitzen die italienische Staatsbürgerschaft oder sind Doppelbürger.
Auch die Schweizer Kolonie in Italien ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewachsen.
Ende 2008 waren in den drei Schweizer Konsulaten in Italien 48'147 Bürgerinnen und Bürger eingetragen. Zwei Drittel von ihnen leben im Norden des Landes.
In Italien befindet sich die zahlenmässig viertgrösste Schweizer Auslandgemeinde, nach Frankreich, Deutschland und den USA.
In der Region L'Aquila sind 104 Schweizerinnen und Schweizer eingetragen.
In der Schweiz leben etwa 24'000 Personen aus den Abruzzen. Im Tessin ist die Vereinigung der abruzzesischen Auswanderer tätig.
Werbung per Bahn
"Die Schweiz kommt zu Dir nach Hause". So heisst eine neue Werbekampagne von Schweiz Tourismus in Italien.
Eine Kampagne, die auf den Bahngleisen anzutreffen ist - mit fünf Bahnwagen "made in Switzerland".
Der Werbezug erreicht fünf italienische Städte. Abfahrt ist am 5. Juni in Mailand, es folgen Turin, Rom, Venedig und Verona.
Die von Vizedirektorin Piccarda Frulli in Senigallia vorgestellte Idee soll das Land Schweiz den Leuten in Italien näher bringen.
Im weiteren werden bis ins Jahr 2010 4000 bis 5000 Tourismus-Botschafter auserkoren.
Was zeichnet diese Botschafter aus? Ihre Liebe zur Schweiz und der Wille, diese Liebe weiterzugeben.
Anwärter und Interessierte können sich auf der Internetseite von Schweiz Tourismus bewerben und erhalten ein Köfferchen, eine Art "Kit" - alles "Made in Switzerland".

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