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Schweizer an Schalthebeln der Washington Post

Erneute Entlassungen sind im mit 25 Pulitzerpreisen ausgezeichneten Traditionsblatt nicht ausgeschlossen. Keystone

Die Washington Post hat kürzlich den 47-jährigen Doppelbürger Marcus Brauchli zum neuen Redaktionsleiter ernannt. Der frühere Chefredaktor des Wall Street Journals soll die Zusammenführung von Zeitung und Internet anpacken.

Dieser Inhalt wurde am 27. Juli 2008 publiziert

Die Ernennung eines externen Journalisten in die renommierte US-Zeitung der Hauptstadt ist ein starkes Zeichen für den Willen zum Wandel in der Direktion des Blattes.

Die 42-jährige Verlegerin Katherine Weymouth, Grosskind der legendären Washington-Post-Chefin Katherine Graham, ist auch erst seit fünf Monaten am Ruder.

Dieses neue Tandem muss mehr als nur ein Hindernis anpacken. Erster Prüfstein wird die Zusammenführung der Print- und der Online-Redaktion.

Häufig in der Schweiz

Marcus Brauchli hat die Schweizer Staatsbürgerschaft von seinem Vater geerbt. Zwar ist er in den USA geboren, doch pflegt er gerne seine Schweizer Wurzeln und ist häufig in der Schweiz anzutreffen.

Er unterhält Kontakte mit der Schweizer Botschaft in Washington und der Handelskammer Schweiz-USA, für die er kürzlich eine Konferenz durchgeführt hat.

Doch die Wahl des Outsiders Brauchli hat in Washington nicht wegen seiner Doppelbürgerschaft für Erstaunen gesorgt. Vielmehr ist es die Tatsache, dass die Washington Post für ihre bemerkenswerte Stabilität bekannt ist, weil sie seit 1968 nur zwei Direktoren hatte - beide aus den eigenen Reihen.

Vor Leonard Downie, der den Posten während 17 Jahren innehatte, war der charismatische Ben Bradlee am Ruder. Er überwachte die historische Recherche zum Watergate-Skandal, die seinen beiden Star-Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein den Pulitzerpreis eintrug und Präsident Nixon den Job kostete.

Downie, der 1991 Bradlee ablöste, war vorher während mehrerer Jahre seine rechte Hand und seit 1964 bei der Post. Unter Downie hat die Zeitung 25 Pulitzerpreise gewonnen, allein sechs im letzten Jahr.

Gut getroffene Wahl

Trotzdem wurde die Nomination Brauchlis in Washington gut aufgenommen - sowohl innerhalb wie ausserhalb der Post.

"Natürlich entfernt sich die Washington Post damit von der Tradition, aus ihrem Reservoir zu schöpfen, doch Brauchli bringt seine Erfahrung vom Wall Street Journal mit, wo er die Zusammenführung von Papier und Online mit grossem Erfolg geleitet hat", sagt Medienanalyst John Morton.

"Seine Mitarbeiter haben eine sehr hohe Meinung von ihm. Seine Sicht von aussen ist in der Post willkommen, denn die Spannungen zwischen den beiden Redaktionen sind ein echtes Problem."

In der Medienmitteilung der Zeitung heisst es vielsagend: "Brauchli wird die redaktionellen Aktivitäten der Zeitung Washington Post und der Website washingtonpost.com leiten."

Verlegerin Katherine Weymouth erklärte: "Marcus bringt eine Schatzkiste von Erfahrungen mit, als Journalist und als Herausgeber, was uns erlaubt, unseren Weg in der neuen Medienwelt zu ebnen."

Herausforderungen

Brauchli muss auch die doppelte Herausforderung anpacken, vor welcher das Traditionsblatt wegen der Erosion der Verkäufe und des Anzeigen-Rückgangs steht.

Die Auflage der Post ist unter die 700'000er-Marke auf 637'180 gefallen. Laut dem Audit Bureau of Circulations (ABC) ein Rückgang von über 7% innerhalb der letzten beiden Jahre. 2007 sind die Einnahmen um 13% gefallen.

Die Redaktion wurde seit 2003 von 900 auf 700 Journalisten verkleinert. Ein weiterer Personalabbau ist nicht auszuschliessen, namentlich beim Zusammenschluss der beiden Redaktionen von Zeitung und Internet. Die Website wird monatlich von 9,4 Millionen individuellen Besuchern gelesen.

"Wir definieren uns nicht durch das Medium, sondern durch unseren journalistischen Zugang", sagte Marcus Brauchli vor seinen neuen Kollegen bezüglich der Herausforderungen, die ihn erwarten.

"Wenn die Washington Post jene Leute erreichen kann, welche soliden, überlegten und ausgewogenen Journalismus wollen, lesen diese die Inhalte auf Papier, online oder auf ihrem Mobiltelefon, um all diese Qualitäten zu finden."

swissinfo, Maria Pia Mascaro, New York
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Marcus Brauchli

Geboren in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, begann er seine Karriere 1984 bei Dow Jones.

Nachdem er zum Wall Street Journal gewechselt hatte, war er Korrespondent in Skandinavien, Tokio und Schanghai.

Zurück in New York war er ab 1999 in diversen Führungssposten in der Redaktion der Bibel der Finanzmärkte, bevor er 2007 zum Chefredaktor aufstieg.

Ein knappes Jahr später wurde er, drei Monate nach dem Aufkauf durch Rupert Murdoch, im April zum Rücktritt gedrängt.

Bei der Washington Post wird Marcus Brauchli seine neuen Funktionen am 8. September 2008 übernehmen.

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