Navigation

Schweiz will in Internationalen Strafgerichtshof

Barbara Ott, Richterkandidatin für den ICC, zu Gast bei swissinfo swissinfo.ch

Die Schweizerin Barbara Ott zählt zu den Favoriten bei den Richter-Wahlen für den Internationalen Strafgerichtshof in den Haag.

Dieser Inhalt wurde am 03. Februar 2003 publiziert Minuten

Doch die Konkurrenz ist gross. Besetzt werden die 18 Richterposten in den nächsten Tagen in New York.

Um die 18 Richterposten am Internationalen Strafgerichtshof (ICC) bewerben sich neben Barbara Ott 42 Kandidatinnen und Kandidaten. Wegen des komplizierten Wahlverfahrens ist der Ausgang völlig offen.

"Mehrere europäische Staaten haben signalisiert, dass sie eine Schweizer Kandidatur unterstützen", erklärt der Politologe Julian Hottinger gegenüber swissinfo.

"Doch die Richter werden nach einem komplizierten Schlüssel gewählt", unterstreicht er. Barbara Ott sei zwar eine hervorragende Kandidatin. Dennoch sei schwierig abzuschätzen, was schliesslich passieren werde.

Gemäss dem Römer Statut von 1998, mit dem der ICC ins Leben gerufen wurde, muss bei der Wahl des Richtergremiums auf ein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen geachtet werden. Zudem müssen sowohl die wichtigsten Rechtssysteme als auch die verschiedenen Regionen der Welt ausgewogen vertreten sein.

Optimistisch trotz grosser Herausforderungen

Die 52 Jahre alte Neuenburgerin Ott selber gibt sich bescheiden, was ihre Chancen angeht. Auch wenn die Schweiz bei der Schaffung des Strafgerichtshofes eine bedeutende Rolle gespielt habe, wie sie betont.

Sie bleibt zudem optimistisch, was die Schwierigkeiten und Herausforderungen betrifft, die noch auf den Strafgerichtshof zukommen.

"Zum ersten Mal gibt es einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof", unterstreicht sie im Gespräch mit swissinfo. "Das Gericht wird nicht nur re-aktiv tätig sein, sondern vielleicht auch dazu beitragen, Leiden von Zivilbevölkerungen in der ganzen Welt zu verhindern [in dem es auf potentielle Missetäter abschreckend wirkt]."

Glaubwürdigkeit in Frage gestellt?

Verschiedene Staaten - allen voran die USA - weigern sich bisher, dem Strafgerichtshof beizutreten. Dadurch werden dessen Glaubwürdigkeit und Rechtssprechung teilweise in Frage gestellt.

Dazu kommt, dass die USA einzelne ICC-Vertragsstaaten unter Druck setzen: Sie sollen Abkommen mit Washington abschliessen, um US-Staatsangehörigen Immunität vor Verfolgung durch den ICC zu sichern. Einige Staaten haben solche Abkommen mit den USA unterzeichnet, andere liessen wissen, sie hätten Verständnis für die Wünsche Washingtons.

Hottinger will das Vorgehen der USA nicht als grundsätzliche Schwäche des ICC interpretieren. Seiner Ansicht nach braucht die neue Institution vor allem etwas Zeit, um ihren Platz zu finden.

"Viele Staaten, auch die Schweiz, wollen weiterhin, dass die USA dem ICC unter denselben Bedingungen beitreten wie die andern Vertragsstaaten", sagt Hottinger. Der Gerichtshof nehme seine Tätigkeit erst jetzt richtig auf. "Und hoffentlich werden schliesslich auch die USA Vollmitglied - wenn sie einmal sehen, dass der Gerichtshof funktioniert."

Straflosigkeit hält Gewalt-Spirale am Leben



Barbara Ott unterstreicht, dass sich die Arbeit des ständigen Gerichtshofes deutlich unterscheiden werde von jener der Kriegsverbrecher-Tribunale, die für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien eingerichtet worden waren.

Nach dem Römer Statut bleibt die Strafverfolgung für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in erster Linie Sache der innerstaatlichen Behörden. Der ICC kann aber aktiv werden, wenn einzelne Staaten nicht bereit sind, oder die Mittel nicht haben, selber gegen mutmassliche Kriegsverbrecher vorzugehen.

Barbara Ott verweist darauf, dass die beiden ad-hoc-Gerichte (Ruanda und das frühere Jugoslawien) erst Jahre nach den Verbrechen eingerichtet worden waren. "Das machte es schwierig, Leute vor Gericht zu bringen, denn viele von ihnen konnten fliehen."

"Das neue Gericht wird diese Probleme nicht haben. Zudem wird es eine zusätzliche Rolle spielen und auf betroffene Staaten hinwirken, damit sie von selber auf ihrem Territorium aktiv werden."

Der Internationale Strafgerichtshof soll dazu beitragen, die in Kriegs- und Krisenregionen oft erlebte Straflosigkeit einzudämmen, die nicht selten die Spirale der Gewalt am Leben hält. Als ständige Einrichtung mit Sitz in Den Haag soll der ICC helfen, das humanitäre Völkerrecht weltweit besser durchzusetzen - und schwerste Menschenrechts-Verletzungen vermehrt zu ahnden.

Erfahrungen aus Ruanda-Ermittlungen

Für Hottinger ist Barbara Ott eine Kandidatin mit gutem Ruf - sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland. Laut Valentin Zellweger, Völkerrechts-Spezialist der Schweizer UNO-Mission in New York, hat Ott ein "einzigartiges Profil" für die Aufgabe. Sie sei die Einzige mit einschlägigen Erfahrungen, zudem stünden weniger Frauen zur Wahl als Männer.

Nach dem Abschluss ihres Jurastudiums hatte Barbara Ott bis 1987 in Neuenburg als Anwältin gearbeitet, später als militärische Milizrichterin. 1995 stand sie während sechs Monaten als Expertin beim Ruanda-Tribunal im Einsatz. Als militärische Untersuchungsrichterin führte sie danach mehr als ein halbes Dutzend Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Völkermord in Ruanda.

Zudem war die Neuenburgerin 1999 im Lausanne beim ersten Strafverfahren gegen einen mutmasslichen Mitverantwortlichen des Ruanda-Völkermordes verantwortlich für den Aufbau des Zeugen- und Opferschutz-Programms. Mit Fulgence Nygonteze hatte sich damals zum ersten Mal ein Verdächtiger ausserhalb Afrikas vor Gericht für den Genozid in Ruanda verantworten müssen.

Derzeit arbeitet sie im Stab des Generalstaatsanwalts der Schweizer Armee als Expertin für Kriegsverbrechen.

Zum Wahlablauf

Von den 18 Richtern und Richterinnen wird die Hälfte vollamtlich tätig sein, die andere Hälfte kommt von Fall zu Fall zum Einsatz - wenn der ICC sie braucht. Wer in welche Kategorie fällt, entscheidet das Los.

Um zu verhindern, dass alle Richterposten zur gleichen Zeit neu besetzt werden müssen, wird ein Drittel der 18 Magistraten für drei Jahre im Amt sein, ein weiterer Drittel für sechs und der Rest für neun Jahre. Zur Wiederwahl stellen können sich nur die sechs Personen, die für eine Dauer von drei Jahren gewählt wurden.

Für den Posten des Strafverfolgers am ICC liegen nach UNO-Angaben bisher keine Kandidaturen vor. Die Wahl wurde daher auf April verschoben.

swissinfo, Jonathan Summerton
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Fakten

Die Schweiz portierte Barbara Ott im September 2002 als Kandidatin.

Nur die Hälfte der 18 Richter und Richterinnen sind vollamtlich tätig.

Der ICC hat seinen Sitz in Den Haag.

Die Wahl des ICC-Strafverfolgers ist für April 2003 geplant.

Bisher haben 88 Staaten das ICC-Statut unterzeichnet.

End of insertion

In Kürze

Die Schweizerin Barbara Ott gehört zu den Favoriten bei der Wahl der 18 Richter und Richterinnen für den Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Der Wahlausgang ist jedoch, nicht zuletzt wegen des komplexen Wahlprozederes, offen.

Die 52 Jahre alte Neuenburgerin ist nach Angaben der Schweizer UNO-Mission in New York eine hervorragende Kandidatin mit dem richtigen Profil für die Aufgabe als Richterin am ICC. So verfügt sie über Erfahrung als Militärrichterin in der Schweiz und als Untersuchungsrichterin im Ruanda-Tribunal.

Die Schweiz war von Beginn weg aktiv an der Schaffung des ICC beteiligt. Sie setzt denn auch grosse Hoffnungen in das Gericht. Ziel des Gerichtshofes müsse das Ende der Straffreiheit für Kriegsverbrecher sein, sagte der damalige Aussenminister Joseph Deiss letzten September.

End of insertion

Artikel in dieser Story

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Diskutieren Sie mit!

Diesen Artikel teilen

Passwort ändern

Soll das Profil wirklich gelöscht werden?