Schweiz prüft Hilfsprojekte in Usbekistan
Nach der blutigen Unterdrückung des Aufstands in Usbekistan klärt Bern ab, ob Hilfsprojekte im Osten des Landes vorübergehend eingestellt werden sollen.
Sobald die Schweiz mehr Informationen über die Vorgänge in Andijan hat, will sie über die Massnahmen für ihre Entwicklungsprojekte entscheiden.
Letzte Woche brachen in der usbekischen Stadt Andijan gewalttätige Unruhen aus, nachdem Aufständische ein Gefängnis gestürmt und die Häftlinge befreit hatten. Augenzeugen berichteten, usbekische Sicherheitskräfte hätten das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten eröffnet, darunter auch Frauen und Kinder.
Die Regierung stellt die Demonstranten als islamistische Extremisten mit Verbindungen zu ausländischen Terroristen dar. Die Aufständischen hätten die Sicherheitskräfte herausgefordert.
Protest gegen Armut und Korruption
Bewohner von Andijan erklärten jedoch gegenüber Medien, die Revolte im Fergana-Tal sei von Ortsansässigen organisiert worden, die gegen Armut, Korruption und die harte Linie der Regierung gegen Muslime protestierten.
Der Sprecher der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), Thomas Jenatsch, sagt gegenüber swissinfo, auch am Dienstag habe es in Andijan noch sporadisch Schiessereien gegeben. Die Stadt stehe laut Berichten von Mitarbeitenden vor Ort unter der "strikten" Kontrolle von Regierungstruppen. Die Ausgangssperre gelte nach wie vor.
"Wir haben auch gehört, dass die Armee an die kirgisische Grenze vorrückt, um die Kontrolle in einem Dorf zu übernehmen, in dem ebenfalls Unruhen ausgebrochen sind", so Jenatsch weiter. Seit Freitag stehe die Arbeit in den von der DEZA unterstützten Entwicklungsprojekten vor Ort still.
Beratungen laufen
Die DEZA berät zur Zeit mit den Projektpartnern, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und der Abteilung für humanitäre Hilfe des Eidgenössischen Amts für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Eine Mitteilung wird für Mittwoch erwartet.
"Wir fragen uns, wie wir im Osten Usbekistans weiterfahren sollen und welche Projekte wir möglicherweise aufgeben müssen", erklärt Jenatsch. Zunächst wollten sie in Erfahrung bringen, was vor Ort wirklich geschehen ist. "Bevor wir entscheiden, sollten wir uns ein genaues Bild über die Ereignisse machen können."
Obwohl Usbekistan kein Schwerpunktland der Schweizer Zusammenarbeit ist, engagiert sich der Bund im Rahmen der regionalen Zusammenarbeit mit Zentralasien in Ost-Usbekistan mit einzelnen Projekten. Seine Aktivitäten konzentrieren sich vor allem auf die Wasserversorgung und auf Heizsysteme wie auch auf die Berufsbildung von Jugendlichen und auf Programme zur Weiterbildung von Anwälten in Menschenrechts-Fragen.
Humanitäre Bedürfnisse
Laut DEZA sind bereits rund 900 Menschen nach Kirgistan geflohen, bis zu 4000 weitere stehen bereits vor der Grenze zum Nachbarland.
Jenatsch erklärte, dass die Schweizer Behörden die humanitären Bedürfnisse an der Grenze zwar überwachten, Hilfsgüter würden aber keine verteilt. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und das Internationale Rote Kreuz (IKRK) versorgen die Flüchtlinge mit dem Nötigsten.
"Sollte sich daraus eine Flüchtlingswelle entwickeln, was durchaus möglich wäre, würden wir natürlich reagieren", so Jenatsch. Vorläufig wollten sie jedoch lieber die UNHCR und das IKRK unterstützen.
Widersprüchliche Meldungen
Noch herrscht Unklarheit über die Geschehnisse in Andijan. Die Meldungen widersprechen sich. Diplomaten warten auf die Reiseerlaubnis, um sich vor Ort ein eigenes Bild von der Lage zu verschaffen.
Vertreter der Schweizer Botschaft in der usbekischen Hauptstadt Taschkent wollten sobald wie möglich in die Krisenregion reisen, bestätigt Jenatsch.
Den Unruhen in Usbekistan waren ähnliche Aufstände in Nachbarland Kirgistan vorausgegangen. Sie führten im März zum Sturz des Präsidenten Askar Akayev. Innerhalb von 18 Monaten wurden drei Führer eines ehemaligen Sowjet-Staates gestürzt. Erst in Georgien, dann in der Ukraine und zuletzt in Kirgistan.
swissinfo, Ramsey Zarifeh
(Übertragung aus dem Englischen: Nicole Aeby)
In Kürze
Die Schweiz führt enge bilaterale Beziehungen zu Usbekistan.
Sie vertritt die Interessen des Landes und seiner zentralasiatischen Nachbarn in der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds.
Für die Entwicklungs-Zusammenarbeit in Usbekistan hat der Bund dieses Jahr 4,5 Mio. Franken budgetiert.
Er unterstützt zur Zeit vier Projekte im östlichen Fergana-Tal im Bereich Bildung, Wasserwirtschaft, Heizsysteme und Weiterbildung von Anwälten in Menschenrechts-Fragen.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Diskutieren Sie mit!