Schweiz nicht zu Reformen zwingen
Der scheidende WTO-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi sagte, niemand könne die Schweiz zu weitgehenden Reformen im Agrarsektor zwingen.
Panitchpakdi äusserte sich in der Westschweizer Zeitung "Le Temps" und meinte weiter, dass die Schweiz ihre vielfältige Landwirtschaft verteidigen dürfe.
Vom 13. bis 18. Dezember findet in Hongkong die Ministerkonferenz der Welthandels-Organisation (WTO) statt.
In Hongkong sollen die Modalitäten für ein neues Handelsabkommen bestimmt werden. Das umfasst vor allem Formeln für den Abbau von Zöllen und Subventionen. Die im November 2001 in Doha begonnene Handelsrunde soll bis Ende 2006 abgeschlossen sein.
Agrarentscheide
Beim entscheidenden Agrardossier bestehe nun mehr Klarheit über die Schlüsselprobleme, hiess es aus WTO-Kreisen. "Es stehen wichtige politische Entscheide an, die technische Arbeit wurde praktisch geleistet", sagte kürzlich ein Diplomat.
Die Entwicklungsländer fordern vor allem, dass die reichen Länder ihre Agrarsubventionen abbauen.
Die reichen Länder, darunter auch die Schweiz, haben sich im Prinzip bereit erklärt, ihre Subventionen und Einfuhrzölle für Landwirtschaftsgüter abzubauen, sofern die Märkte für ihre Industriegüter und Dienstleistungen geöffnet werden.
Sicher, aber...
"Es ist in Ordnung, dass die Schweiz ihre Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete erhalten will", sagte Panitchpakdi in "Le Temps". Allerdings dürften ihre Agrarsubventionen nicht die übrige Welt vom Handel ausschliessen.
"Das ist auch der Grund, warum wir über Agrarsubventionen sprechen, die weder an den Preis noch an die Menge gebunden sein sollen", sagt der thailändische WTO-Generaldirektor, der im September von Franzosen Pascal Lamy abgelöst wird. "Wir wollen sicher nicht, dass alle Schweizer Bauern ihre Existenz verlieren", sagt er weiter.
Damit das Thema Landwirtschaft zur Sprache komme, habe die Doha-Runde, die Voraussetzungen geschaffen. "Das erhöht den Druck darüber zu verhandeln".
Positionen verändern
"Wir haben kein Interesse, dass Agrardossier aus den Verhandlungen auszuklammern, nur damit wir auf den andern Gebieten vorankommen, da dort weniger Widerstand zu erwarten ist" meinte Panitchpakdi.
Ausserdem hätten sich die Voraussetzungen verändert, und dem müssten die Teilnehmer Rechnung tragen. Als Beispiel nennt Panitchpakdi die EU, die nun 25 Mitglieder umfasse. So sei die Europäische Union gezwungen, ihre ganzen Beihilfe-Politik zu überdenken.
"Ich bin Wirtschaftsfachmann", sagte Panitchpakdi. "Eigentlich bin ich schon deshalb für den Abbau sämtlicher Unterstützungs-Massnahmen." Aber für den Politiker, der die Sache vertreten müsse, sähen die Dinge ganz anders aus. Er sei seinen Wählerinnen und Wähler verpflichtet. "Die schwierige Aufgabe der Politiker besteht darin, ein System ins andere zu überführen", sagt Panitchpakdi.
Kein Fortschritt in Genf
Für den Thailänder sind jedoch die Fristen dafür zu kurz angesetzt. "Aber ich stelle eine wachsende Bereitschaft der Mitgliedstaaten für Reformen fest. "Das lässt mich hoffen, dass auch in diesem schwierigen Dossier eine Lösung gefunden wird."
Allerdings verhehlte Panitchpakdi seine Enttäuschung nicht, dass im Juli bei der letzten Sitzung des WTO-Generalrats in Genf, keine Fortschritte erzielt wurden. Die 148 Mitgliedstaaten trennten sich ohne in der Sache weiter gekommen zu sein.
Nichtregierungsorganisationen kritisierten damals, die WTO-Verhandlungen seien blockiert. Die Industrieländer hätten 2001 in Doha eine Handelsrunde für die Entwicklung propagiert, die sie jetzt nicht einhalten wollten.
"Wenn im Dossier Landwirtschaft möglicherweise ein Abkommen erreicht werden könnte, wo die Einfuhrzölle derjenigen Staaten mit den höchsten Zöllen am stärksten gesenkt würden, dann wäre 60% oder 70% der Arbeit getan", sagte Panitchpakdi.
swissinfo und Agenturen
Fakten
Supachai Panitchpakdi ist seit 2002 WTO-Generalsekretär.
Im September wird der Franzose Pascal Lamy sein Nachfolger.
Vom 9. bis 13. November 2001 traf sich die WTO im Golfstaat Katar, um eine neue multilaterale Liberalisierungsrunde ins Leben zu rufen (Doha-Runde).
Ziel ist, bis 2005 den Welthandel umfassend zu liberalisieren.

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