Schweiz integriert sich dank Städten in Europa
Wie die anderen Grenzstädte der Schweiz integriert sich auch Genf mit grossen Schritten im regionalen europäischen Raum.
Die Genfer Regierung bekräftigt ihre Rolle in dieser vorwiegend wirtschaftlichen Dynamik. Und stärkt damit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
"Genf, Basel und Lugano sind die Speerspitzen der Schweizer Integration in Europa." So beschreibt Sylvie Cohen die grenzüberschreitende Entwicklung der drei Schweizer Agglomerationen und die daraus entstehende regionale Zusammenarbeit.
"Auch Städte wie Zürich und Bern würden sich gern diesen grenzüberschreitenden Zentren anschliessen", fügt die Chefin der Genfer Direktion für auswärtige Angelegenheiten an.
Die langjährige Dynamik der Schweizer Grenzstädte hat sich seit Inkrafttreten der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union noch beschleunigt.
Aber sie folgt auch einem neuen Trend, der in der Industrie und bei den Wirtschaftsverantwortlichen in den Behörden im Gang ist: die Bildung von Industriezentren, die in der Lage sind, auf die Weltmärkte zu reagieren.
Gestärkte regionale Einheiten
In Europa läuft also alles in der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Und dies trotz der Staatsgrenzen. "Die Staaten verfügen über immer beschränktere Mittel. Das stärkt das Gewicht der regionalen Einheiten", fügt die Genferin bei.
Doch dies stösst in der Politik und bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht immer auf Verständnis. Deshalb hat das Genfer Wirtschaftsdepartement eine Broschüre veröffentlicht mit dem Titel "Genève: un avenir sans frontière" (Genf: eine Zukunft ohne Grenzen), welche die Entscheidungsträger in der Region Genf und den angrenzenden französischen und waadtländischen Gemeinden sensibilisieren soll.
Gemeinsames Schicksal
"Der Kanton Genf und die benachbarten französischen Departemente haben in Zukunft ähnliche Entwicklungen zu bewältigen", betont Carlo Lamprecht, der für die Wirtschaft des Kantons Genf verantwortlich ist.
Als Beweis spricht er das Bevölkerungswachstum an, das sich auf beiden Seiten der Grenze gleich entwickelt (1,5% pro Jahr), aber auch die durch die vielen Privatwagen verursachten Verkehrsprobleme sowie den Stellenmarkt, wo in den selben Branchen die Arbeitslosigkeit gleich hoch und der Arbeitskräftemangel gleich gross ist.
Deshalb müssen wir "die Auswirkungen der durch die Vitalität in der Region Genf-Frankreich-Waadtland erzeugten Attraktivität begleiten, verwalten und in den Griff bekommen, und zwar durch eine kontrollierte Politik, die mit der Realität im Einklang steht", findet der Genfer Politiker.
Internationale Agglomeration in europäischer Region
"Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist nicht mehr eine Option, sondern eine Notwendigkeit", bekräftigt Sylvie Cohen. Für heute wie für morgen.
"Eine internationale Agglomeration im Herzen einer europäischen Region" fasst die von der Direktion für auswärtige Angelegenheiten erarbeitete Broschüre zusammen. "Wir wollen zugleich die internationale Rolle Genfs und seine Funktion als regionale Hauptstadt stärken", erklärt Cohen.
Allerdings müssen zuvor eine Reihe von Widerständen bei den Entscheidungsträgern und bei der Bevölkerung überwunden werden. "Die konfliktreiche Vergangenheit zwischen Genf und Savoyen ist noch immer nicht ganz verdaut", stellt die Genferin erstaunt fest.
Die Genfer singen in der Tat jedes Jahr anlässlich einer identitätsstiftenden Feier namens 'Escalade' das alte, blutrünstige Kriegslied gegen Savoyen.
Zu diesem historischen und folkloristischen Erbe kommen die konkreten Probleme von heute wie die andauernde Wohnungsnot und politische Streitigkeiten unter den verschiedenen Behörden.
Die Wirtschaft als Motor
Aber diese Bremsen verhindern die Entwicklung von Wirtschaft und Handel nicht.
"Seit Ende der 1990er-Jahre ist Genf der wichtigste Arbeitgeber für Hochsavoyen", betont Cohen. Diese Tatsache lenkt auch die Entwicklung der Nachbargemeinden im Kanton Waadt.
"Wir müssen deshalb die Art unseres Regierens auf beiden Seiten der Grenze gleich gestalten. Und zwar trotz der unterschiedlichen Gesetzgebungen", so Cohen.
Diese Herausforderung ist aber bei weitem nicht neu. Genf pflegt seit mindestens 30 Jahren eine regionale Zusammenarbeit. Diese Politik muss aber heute sowohl vorrangig wie alltäglich werden. "Diesen von einer wachsenden Zahl von Personen erlebten Alltag gilt es nicht mehr nur zu ertragen, wir müssen ihn vielmehr zu einem Trumpf machen", bestätigt Cohen.
Laut der Genferin sind heute alle Beamten der Region Frankreich-Waadt-Genf überzeugt von der Bedeutung einer nachhaltigen Zusammenarbeit, die den Interessen aller dient.
Diese Überzeugung kommt daher, dass die zentrale Rolle Genfs in der Region akzeptiert ist.
Einfacher in Basel - komplizierter in Lugano
"In Basel ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einfacher, da sie drei gleich grosse Städte verbindet", führt Cohen aus.
In Lugano und im Tessin dagegen stösst sie auf mehr Vorbehalte. Denn der Schwerpunkt jener Region ist Mailand. Aber auch da haben die Lokalbehörden begriffen, dass die Entwicklung des Tessins von einer besseren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit abhängt.
swissinfo, Frédéric Burnand in Genf
(Übertragen aus dem Französischen: Charlotte Egger)
Fakten
Die Agglomeration Frankreich-Genf-Waadtland hat 187 Gemeinden mit fast 800'000 Einwohnerinnen und Einwohnern
Über 60'000 Personen aus Frankreich und dem Kanton Waadt arbeiten in Genf
Über 1'000 Personen der Region verlassen jedes Jahr die Schweiz und lassen sich im benachbarten Frankreich nieder

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