SARS: Gesundheitsamt warnt vor Verharmlosung
An Flughäfen müssen Passagiere aus Risikoländern ab kommender Woche über ihre Reisepläne Rechenschaft ablegen.
Das schweizerische Bundesamt für Gesundheit warnt davor, die heimtückische Krankheit SARS herunterzuspielen.
Derzeit wird im Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein Fragebogen vorbereitet. Reisende aus Risikoländern werden an den Schweizer Flughäfen detailliert über ihre Reisepläne Auskunft geben. So kann der Weg der Passagiere besser zurückverfolgt werden, falls es zu einer SARS-Erkrankung kommt.
Mit diesem Fragebogen kann auch herausgefunden werden, mit wem der Betroffene in Kontakt gekommen ist. Pierre-Alain Raeber, Chef der Sektion Epidemologie im BAG, äussert sich gegenüber der Tageszeitung "Le Temps" in diesem Sinn. Bereits jetzt werden an den Fluhäfen Infobroschüren über die Krankheit verteilt.
Die Lungenkrankheit SARS (Schweres akutes respiratorisches Syndrom) sei auch für die Schweiz eine Bedrohung, sagte der Direktor des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Thomas Zeltner, in einem Interview mit der "SonntagsZeitung".
"Wir gehen davon aus, dass SARS noch Monate, wenn nicht Jahre, ein grosses Problem bleiben wird", sagte Zeltner. "Würde sich SARS in der Schweiz festsetzen, wäre das ein Killer für die Wirtschaft", warnte er.
Auch westliche Länder bekunden Mühe
"Wie wir bis jetzt gesehen haben, ist es selbst in Kanada nicht möglich, die Krankheit auszumerzen." Die grösste Sorge sei aber, dass SARS sich in den Entwicklungsländern ausbreitet und festsetzt.
"Ich bin pessimistisch, denn bisher sind alle Worstcase-Szenarien eingetreten", sagte Zeltner. Die Krankheit sei kaum erforscht und es gebe keinen Impfstoff und keine Medikamente.
Das BAG ist derzeit derart mit SARS beschäftigt, dass andere Aufgaben liegen bleiben, wie der Direktor einräumt. Er wolle deshalb nächste Woche bei Departementsvorsteher Pascal Couchepin vorstellig werden und zusätzliche Mittel verlangen.
Seit März seien zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Vollzeit mit der Lungenkrankheit beschäftigt. SARS koste das BAG jetzt schon 150'000 Franken im Monat. "Wir gehen davon aus, dass SARS noch Monate, wenn nicht Jahre ein grosses Problem bleiben wird", sagte Zeltner.
Schmid: Bedenkliches Signal
Kritisch äusserte sich der Chefbeamte für das Gesundheitswesen zudem über den Auftritt von Bundesrat Samuel Schmid bei seinem Besuch von vergangener Woche in Peking. "Einerseits werden in Peking Spitäler unter Quarantäne gestellt und anderseits bewegt sich Schmid ohne Gesichtsmaske."
Schmid selber warnte jedoch vor einer Dramatisierung wegen SARS. Ebenfalls in der "SonntagsZeitung" sagte er, die grosse Verbreitung der Gesichtsmasken sei sicher auf das Fernsehen zurückzuführen, in der Wirkung aber umstritten. Wichtig sei gerade, dass die Medien die Lage nicht dramatisierten.
Bezüglich möglicher Einreisesperren bleibe das BAG äusserst wachsam. Die Massnahmen würden mit den europäischen Staaten und der Weltgesundheitsorganisation WHO abgestimmt, sagte Zeltner. Eine Einreisesperre sei momentan jedenfalls in Europa kein Thema.
Schweizern in betroffenen Ländern rate das BAG "nicht zur Massenflucht". Zeltner gab aber zu bedenken, dass keine Fluggesellschaft SARS-Patienten, nicht einmal Verdachtsfälle, transportiere, auch nicht die Schweizerische Rettungsflugwacht Rega.
Schweiz informiert aktiv
Auf den Flughäfen Zürich und Genf, wo die Direktflüge ankommen, werde allen Passagieren persönlich ein Informationsblatt abgegeben, teilte das BAG mit. Die Schweiz zähle damit zu den aktiv informierenden Ländern.
In Genf werden zudem alle aus Asien ankommenden Passagiere beobachtet. Weitergehende Massnahmen wie Fiebermessen seien gegenwärtig aber nicht nötig.
"Falls sich die Situation verschärfen sollte oder neue Erkenntnisse über das Virus bekannt würden, können wir restriktivere Massnahmen vornehmen", sagte Marc Niquille, beratender Arzt des Flughafens Genf, gegenüber swissinfo.
Die Länder Südostasiens hatten sich am Samstag auf einem SARS-Krisengipfel zusammen mit China und Japan auf drastische Sicherheitsvorkehrungen im internationalen Reiseverkehr geeinigt. Alle wichtigen Flughäfen, Häfen und Grenzstationen sollen überwacht werden.
Peking hatte am Sonntag nach der Schliessung der Karaoke-Bars, Internet-Cafés, Videospielhallen, Theater und Kinosäle der Stadt sämtliche Sportveranstaltungen in ganz China für den Monat Mai abgesagt.
swissinfo und Agenturen
In Kürze
SARS ist nach Ansicht von Gro Harlem Brundtland, Direktorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, die erste globale Epidemie des 21. Jahrhunderts.
Restriktive Massnahmen wie etwa die Empfehlung, nicht nach Toronto zu reisen, seien nicht übertrieben.
Die Zahl der SARS-Todesfälle stieg in China und Hong Kong je auf über 130 Menschen, in der kanadischen Stadt Toronto auf 20. Der Inselstaat Taiwan verzeichnete ein erstes Todesopfer.
In der Schweiz sind den Behörden bisher 24 Verdachtsfälle von SARS gemeldet worden.
Zehn davon waren am vergangenen Freitag noch Gegenstand von Laboruntersuchungen; die anderen 14 Fälle hatten sich als unbegründet herausgestellt.

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