S, M, L, XL - Modefotografie
Mode und Fotografie sind ein fruchtbares Paar, das Grenzen sprengt und verwischt, gleichzeitig neue Trends setzt. Das Fotomuseum Musée de l'Elysée zeigt das verwobene Spektrum.
"Die Mode ist so häßlich, daß man sie alle sechs Monate ändern muß". Dieses Statement vom modebewussten Schriftsteller und Dandy Oscar Wilde (1854-1900), gilt heute mehr den je. Auch wenn die Gründe dafür eher im finanziellen, denn in der mangelnden Schönheit zu suchen sind.
Zweimal im Jahr zeigen auf den Laufstegen in Mailand, New York, London, Paris untergewichtige Models was für die nächsten Monate modisch Sache ist. Entworfen von wilden kreativen Couturiers, sollen raffinierte Schnitttechniken, ausgefeilte Textilmixturen, angesagte Farben das Beste in oder an der Frau, dem Mann zur Geltung bringen.
Der nächste Schritt ist die Präsentation in trendigen Mode- und Lifestyle-Magazinen. Hier wird die aufwändige Haute Couture zurückgeschnitten und für Prêt-à-porter in Szene gesetzt. Und wie! Reichte früher das Fotografieren der Kleider in kunstvollen Aufnahmen, greifen seit den 80er Jahren die Fotografen ins Geschehen ein.
Mit Pickel und fettem Haar
Und oftmals spielt in den sogenannten Kampagnen die Mode eine Nebenrolle. Viel wichtiger ist der Lifestyle. Realität kontra Glamour, Realismus kontra Ästhetik. Das Private wird öffentlich, Ambivalenz ist das Zauberwort.
Dabei sind diese Bilder genauso inszeniert, doch die heutigen Stars der Szene Jürgen Teller, Steven Klein, Terry Richardson zoomen näher ran. Was einst ausgeblendet, überschminkt wurde, wird gnadenlos ausgeleuchtet. Wir sehen: Aha, das Model hat auch Pickel, Leberflecken, fette Haare.
Drei Ansichten
Das Musée de l'Elysée zeigt auf drei Etagen, drei Vertreter der abbildenden Kunst. Mit Jean Moral (1906 - 1999) tauchen wir ein ins Paris der 30er Jahre. Die Moderne in der Modefotografie. Moral besticht durch selektive Bildausschnitte, Mehrfachbelichtungen, Solorisierung. Sein liebstes Model ist seine Frau Juliette.
Mit ihren Bildern wird ein neuer Frauentyp populär: Vital und dynamisch. Und im Freien. Die Frau ist nicht mehr nur Zuhause. Später drückt Moral für die Magazine Vogue, Harper's Bazaar erfolgreich auf den Drücker und bleibt sich selber treu: zeitlebens arbeitet er im Freien.
Das Theater hinter den Kulissen
Gérard Uféras, ein bekannter Opernfotograf, wirft einen langen Blick hinter die Kulissen. Die Modeschauen, flüchtige Spektakel für Prominenz, Gutbetuchte und Journalisten zeigen auf ihrer Vorderseite eine perfekt getimte farbige Show. Uféras zeigt die Hinterseite, in schwarzweiss: "Mit schwarzweiss Fotografie erreiche ich eine erste Abstraktion. Schwarzweiss hilft mit die Energie eines Bildes zu zeigen".
Respektvoll nähert er sich den Frauen, zeigt die oftmals harten Bedingungen während eines Defilés. Das Warten, das Hergerichtet werden, die Verletzlichkeit. Die wunderschönen Bilder kontrastieren mit dem Traumberuf vieler Mädchen. Ohne Scheinwerfer, im Schatten ihrer selbst schimmert die Traurigkeit.
Schriller Provokateur
Der dritte im Bunde ist Steven Klein und dürfte mit seinen Arbeiten zu reden geben. Steven Klein, einer der am meisten publizierten Modefotografen aus New York liebt die Provokation. Erotik, Aggression, Einsamkeit sind seine Themen. Mit schrillen Farbkontrasten zeigt er seine Sicht der Menschen des jungen Jahrtausends.
Hyper-sexualisierte, gewaltbereite Individuen leben in den Tag hinein. Mode spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Im Gegenteil, seine Bilder arbeiten gegen die Kleider und erregen damit Aufsehen. Die Modelabels lassen es sich gefallen, solange die Kasse stimmt.
In der neusten Ausgabe der Italien-Vogue, diese Arbeit ist im Museum zu sehen, zeigt Klein eine junge Frau mit Gesichtsmaske in einem abgefuckten Motel. Auf der Bildlegend wird klar, dass die junge Frau in Wirklichkeit ein junger Kultautor aus New York ist.
Er liebt es in Frauenkleidern zu possieren und niemand weiss wie er aussieht, da er seine Gesicht stehts verhüllt. Und das Motel ist jener Ort, da sich Jenis Joplin eine Überdosis Heroin spritzte. Geschmacklosigkeit oder Kunst?
Fotografie und Kunst, die Grenze ist längst aufgeweicht. Und Schönheit ist relativ und liegt im Auge des Betrachters. Das gilt noch immer. Nebst den ausgestellten Bildern bietet das Museum ein breites Rahmenprogramm an. Videos,
Objekte, Modemagazine, Modeschauen.
Erwähnt seien Asfour, eine frischwildes Quartett bestehend aus einem Palästinenser, einer Israelitin, einer Tatschikin und eines Deutschen. Nebst ausgefallenen Modekreationen besitzen diese vier ein rares Gut in der ganzen Modewelt: Humor.
Brigitta Javurek
P.S. Humor ist auch für den Mode-Herbst angesagt: Die Modebranche postuliert die Nichtfarbe Schwarz.

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