Regierung verwirrt politische Beobachter
Meldungen, wonach die Schweiz mit der EU ein Freihandelsabkommen im Agrarbereich abschliessen will, sind mit Verwunderung aufgenommen worden.
Die Aussage erfolgte am selben Tag, an dem Wirtschaftsminister Joseph Deiss Zweifel am Zustandekommen eines Freihandelsabkommens mit den USA äusserte.
Wie Deiss am Mittwoch sagte, könnten Differenzen im Bereich Landwirtschaft die Chancen über einen Verhandlungserfolg mit den USA schmälern, bevor die Verhandlungen überhaupt begonnen hätten.
Die Entscheidung, ob mit Washington formelle Gespräche aufgenommen werden, wird Ende Januar gefällt.
Deiss gab auch bekannt, dass die Regierung dem Wirtschafts- und Aussenministerium den Auftrag erteilt habe, Vorabklärungen mit der Europäischen Union (EU) über ein Freihandelsabkommen in der Landwirtschaft zu treffen.
"Hier werden die Hürden kleiner sein als mit den Vereinigten Staaten", sagte Deiss. Rund 60% der Agrarimporte mit der EU seien bereits liberalisiert.
Taktik
Beobachter sehen diverse Absichten hinter dieser Aussage von Deiss, den Schwerpunkt plötzlich in Richtung EU zu verschieben. Der Wirtschaftspublizist Beat Kappeler meint, dass es ein taktischer Schwenker in Richtung Schweizer Bauern sein könnte.
Laut Kappeler könnte es sein, dass die Regierung der Landwirtschafts-Lobby in der Schweiz signalisieren wolle, dass die Regierung auch andere Optionen als die USA habe. "Wenn ihr die USA nicht wollt, dann müsst ihr eben mit der EU Vorlieb nehmen", sagte Kappeler gegenüber swissinfo.
"Es könnte Taktik dahinter stecken, denn bis heute hat die Regierung nie über ein Landwirtschaftsabkommen mit der EU gesprochen."
Kappeler sagte weiter, dass ein Abkommen mit den USA noch möglich sein könnte und der EU-Plan lediglich eine Aufwärmphase darstellen könnte, um der Schweizer Regierung eine klare Position zu erlauben.
Für den Dachverband der Schweizer Wirtschaft, economiesuisse, wäre ein Abkommen mit der EU lediglich eine Ergänzung nicht aber eine Alternative zu einem Abkommen mit den USA. Die Schweiz könne sich nicht vor dem grössten Markt der Welt verschliessen.
Wenig hilfreiche Verwirrung
Einige Pressekommentatoren waren der Meinung, die Schweiz solle von der Idee eines Freihandelsabkommen mit Washington lassen, weil die Nachteile die Vorteile nicht ausgleichen könnten.
Andere waren der Meinung, dass die Regierung annehme, die Verhandlungen mit Washington seien gestorben und habe deshalb einen Alternativplan vorgelegt.
Diese Verwirrung habe jedenfalls der Regierung nicht geholfen, ihre Aussenpolitik vermehrt in Richtung Vereinigte Staaten und andere Nicht-EU-Partner auszurichten.
Unklarheit
Die EU-Parlamentarierin Diana Wallis – sie hat im Komitee für die Beziehungen zur Schweiz den Vorsitz inne – sagte, sie sei durch Berns Änderung des Fokus nicht überrascht. Wallis fügt aber bei, es sei alles andere als klar, was die Schweiz eigentlich von der EU wolle.
"Ich weiss nicht genau, was mit einem Freihandels-Abkommen mit der EU gemeint ist. Durch die bilateralen Verträge hat die Schweiz ja bereits ein Abkommen plus", sagte Wallis gegenüber swissinfo.
Die Schweiz habe zwei bilaterale Abkommen mit der EU unterzeichnet, welche viele Handelsbarrieren überwunden hätten und auch zahlreiche landwirtschaftliche Produkte umfassten.
"Die Türe ist immer offen für weitere bilaterale Abkommen. Zudem ist es klar, dass auch nach den beiden Abkommen zwischen der Schweiz und der EU nach wie vor Handlungsbedarf besteht", so Wallis. "Niemand ist überrascht, wenn die Schweiz vorwärts schaut."
swissinfo, Isobel Leybold-Johnson
(Übertragung aus dem Englischen: Urs Maurer)
Fakten
Das Wirtschafts- und Aussenministerium wurden beauftragt, der Schweizer Regierung einen Bericht über Vor- und Nachteile eines Freihandelsabkommen mit der EU vorzulegen.
Deiss sagte, die Zusammenarbeit Schweiz-EU im Bereich Landwirtschaft sei bereits weit fortgeschritten.
Rund 60% der Einfuhren aus der EU in die Schweiz seien bereits liberalisiert, sagte Deiss. Ab 2007 unterliegt der Schweizer Käse dem Freihandel mit der EU.

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