Presseschau vom 28.02.2003
US-Präsident Bushs "Visionen" für den Nahen Osten sind ein Thema in den Zeitungen vom Freitag. Skepsis ist der Tenor.
Weiter beschäftigt die Presse die kritische Lage der Schweizer Wirtschaft.
"Bushs Visionen für Nahost", titelt die BERNER ZEITUNG und schreibt, laut dem US-Präsidenten könnte der Sturz Saddam Husseins dem Nahen und Mittleren Osten Ruhe bescheren und zur Schaffung eines demokratischen Palästinenserstaates führen.
Bushs "Visionen" oder die "Effetti positivi dal dopo-Saddam", wie der CORRIERE DEL TICINO titelt, werden von der arabischen Welt indessen als Provokation empfunden. Die BERNER ZEITUNG schreibt: "Die Araber sind empört."
Skepsis gegenüber Bushs "Neuordnungsplänen" für Nahost markiert die BASLER ZEITUNG. Sie fragt sich: "Mit Irak-Krieg Nahost-Konflikt entschärfen?"
Das Versprechen des US-Präsidenten, Saddams Sturz bringe Demokratie in die arabische Welt und Frieden nach Palästina, quittiert der Zürcher TAGES-ANZEIGER so: "Die Botschaft hör ich wohl..."
Der TAGI erinnert daran, dass Washington bisher nichts bewogen habe, im Nahen Osten eine Friedenslösung entschlossen durchzusetzen. "Bis jetzt war die Förderung der Demokratie in der arabischen Welt nicht mehr als ein amerikanisches Lippenbekenntnis."
Wohl niemand würde sich mehr wünschen, dass Bushs "Visionen" wahr würden, als die Menschen in der Region, schreibt der TAGES-ANZEIGER. "Aber einen Regimewechsel im Irak als Wundermittel zu präsentieren, um die Probleme der arabischen Welt mit einem Schlag zu lösen, ist nicht glaubwürdig."
Wenn nicht gerade Skepsis, sind für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG zumindest Fragezeichen angebracht: "Amerika - Retter oder Besetzer des Iraks?"
Im Zusammenhang mit Äusserungen von Exponenten der Bush-Administration, im Irak eine Militärregierung in eigener Verantwortung einrichten zu wollen, erinnert die NZZ daran, dass der saudische Aussenminister Saud al-Faisal bereits erklärt habe, die Vorstellung, das irakische Volk würde eine Fremdherrschaft akzeptieren, sei eine Illusion.
"Das alte irakische Misstrauen und die neue amerikanische Rolle des Besetzers bilden keine gute Basis für dieses Verhältnis", schreibt die NZZ weiter und meint, entscheidend werde das Verhalten der US-Soldaten gegenüber der Bevölkerung, der Umgang der US-Vertreter mit irakischen Politikern und Notabeln, der amerikanische Respekt vor irakischen Wünschen und Sensibilitäten sein.
Verrückte Wirtschaft
"Die Wirtschaft spielt verrückt" - so lautet die Schlagzeile in der AARGAUER ZEITUNG. "ABB und der Zürich-Konzern haben letztes Jahr Milliardenverluste geschrieben. Ihre Chefs versprechen aber, das Schlimmste sei vorbei. Nestlé dagegen glänzte mit einem Riesengewinn."
Die Hiobsbotschaften aus den traditionellen Schweizer Konzernen Credit Suisse, Roche, ABB und Zürich werfen für die AZ die Fragen auf: "Wie solide sind diese Firmen eigentlich noch?" Und: "Kann man also den Konzernchefs glauben, wenn sie sagen, schon dieses Jahr würden wieder Gewinne geschrieben?"
Die BASLER ZEITUNG zeigt da, zumindest was ABB betrifft, einen gewissen Optimismus: "Wer anderer als Dormann?", titelt die BAZ und meint, der ABB-Konzernchef sei zwar kein Garant für den Erfolg, aber wenn einer den Technologiekonzern wieder auf Vordermann bringen könne, "dann heisst er Dormann".
"Schweiz an der Nullline", lautet die Schlagzeile im Berner BUND, welcher der kriselnden Schweizer Wirtschaft "eine lange Durststrecke" prophezeit. Es bleibe nichts anderes zu hoffen, als dass der Aufschwung im zweiten Halbjahr 2003 einsetzen werde, schreibt der BUND.
Für die NZZ ist klar: "Die letzte Februar-Woche des Jahres 2003 dürfte mit ihren Milliarden-Debakeln als singuläres Ereignis in die Schweizer Wirtschaftsgeschichte eingehen." Reihum beschwörten nun die Verantwortlichen die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft. "Doch diese Erkenntniss ist alles andere als neu - nur gilt es, sie endlich in die Tat umzusetzen."
Also weg von der "obsession du gigantisme", wie die Westschweizer Zeitung LE TEMPS schreibt. Denn diese "Obsession des Gigantismus" sei der hauptsächlichste Grund für die derzeitigen Unternehmenskrisen.
swissinfo, Jean-Michel Berthoud

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