Presseschau vom 17.06.2003
Der Fluglärm-Streit zwischen Deutschland und der Schweiz, die zweite Gotthard-Röhre und die Cannabis-Legalisierung: Diese Themen beherrschen die Schweizer Zeitungen am Dienstag.
Das Wahljahr wirft seine Schatten auf den Betrieb des Parlaments, so das Fazit vieler Kommentare und Berichte.
Nachdem die Schweiz im Streit um den Fluglärm den Staatsvertrag mit Deutschland abgelehnt hatte, setzt Berlin nun auf den 10. Juli einseitig scharfe Massnahmen in Kraft.
Der Himmel über Süddeutschland, Wolken über Kloten
Diese werden sich auf den Flugbetrieb und die Wirtschaft auswirken. Nun suchen Bundesrat und Parlament nach neuen Lösungen, die SVP will die deutsche Verordnung einfach missachten.
"Konfuse Signale" heisst es im TAGES-ANZEIGER, die Westschweizer Zeitung LE TEMPS sieht "agitation en coulisse - emsige Geschäftigkeit in den Wandelhallen".
"Jetzt weichen sich die Fronten auf", titelt die NEUE LUZERNER ZEITUNG, "Lieber spät als nie", die BERNER ZEITUNG. Weiter heisst es in der BZ:
"In einem einzigen Punkt hat die SVP im Luftverkehrsstreit mit Deutschland wohl recht: Die einseitige Verordnung auf den 10. Juli ist für den Wirtschafts- und Werkplatz Schweiz lebensbedrohend. Ihre Rezepte, wie die Gefahr abzuwenden wäre, sind jedoch völlig unbrauchbar und gefährlich."
Aber auch die anderen bürgerlichen Parteien täten sich schwer, eine brauchbare Lösung zu finden.
Fehler eingestehen ist schwer - erst recht im Wahljahr
"In einem Wahljahr kann man von FDP und CVP jedoch nicht erwarten, dass sie eingestehen, mit der Ablehnung des Staatsvertrags einen Fehler begangen zu haben."
Doch die Schweiz, so die BZ weiter, schlittere in ein Desaster, wenn es nicht sofort einen Rettungsversuch gebe.
"Parteiengeplänkel können wir jetzt beim besten Willen nicht brauchen."
"Verwirrende Flugmanöver" sieht die AARGAUER ZEITUNG. Was zur Zeit im Bundeshaus passiere, habe mit Besonnenheit wenig, mit Panik aber viel zu tun. Noch immer sende die Schweiz verwirrende Signale nach Deutschland.
"Völlig unrealistisch ist die Forderung der SVP, einfach so weiterzumachen wie bisher. Diese Route führt garantiert ins Verderben."
Die Frage der zweiten Gotthard-Röhre - Multipack
Für Schlagzeilen sorgt auch der Autoverkehr, konkret der Gegenvorschlag des Ständerats zur Avanti-Initiative.
"Kein übler Kompromiss", meint die AARGAUER ZEITUNG. Statt eines Autobahn-Baubefehls liege nun ein allgemeines Investitions-Konzept vor. Der Ständerat habe sich nicht übel aus der Affäre gezogen.
"Er gibt der zweiten Gotthard-Röhre nicht grünes Licht, sondern will bloss das Bauverbot zwischen Amsteg und Airolo vorsorglich aufheben. Faktisch liegt somit die (eventuelle) Erstellung der zweiten Röhre ohnehin in weiter Ferne."
Die BERNER ZEITUNG bemängelt das Vorgehen und titelt:
"Volk hat keine Wahl."
Mit dem Gegenvorschlag wolle es das Parlament möglichst allen alles bringen. Doch mit der Multivorlage verbaue das Parlament dem Stimmvolk einen differenzierten Entscheid: "Die Demokratie bleibt auf der Strecke."
Cannabis-Debatte verschoben
Aus dem Sessionsprogramm gekippt wurde die Nationalrats-Debatte zur Cannabis-Entkriminalisierung, welcher der Ständerat bereits zugestimmt hat.
"Nebulöser Entscheid" heisst es dazu in der BERNER ZEITUNG. Und dieser Nebel dürfte sich erst nach den Wahlen lichten.
"Ausnüchtern", lautet der Titel im Berner BUND.
"Es ist schwer, im Wahljahr für die Strafbefreiung des Kiffens zu sein. (...) Die Wiederwahlsorge vernebelt die Sinne. Mit der Verschiebung der Hanfvorlage bis nach den Wahlen lässt sich Zeit für gründliches Ausnüchtern gewinnen."
swissinfo, Rita Emch

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