Presseschau vom 10.12. 2002
Wie findet Belgrad aus der Krise? Der weite Weg zum Bürgerstaat Serbien nach den erneut gescheiterten Wahlen beschäftigt die Zeitungen vom Dienstag.
Auch der heutige Tag der Menschenrechte wird aus Schweizer Sicht kommentiert.
Das Bild des serbischen Regierungschefs Zoran Djindjic als demokratischer Reformer sei längst korrekturbedürftig, schreibt der Berner BUND nach den jüngsten Präsidentenwahlen. Er verfolge ein
"Machtkalkül à la Milosevic".
Seine Emotionslosigkeit und sein zynisches Taktieren allein zum Zweck des Machterhalts sei den Serben suspekt. Darin sei er dem früheren Diktator Milosevic ähnlich.
"Schon kurz nach dem Umsturz im Oktober 2000 strebte Djindjic gezielt die Alleinherrschaft an. Doch Kostunica hielt wacker dagegen und ist, das haben die gescheiterten Präsidentenwahlen gezeigt, klar die populärste Persönlichkeit Serbiens".
Gefahr von extrem rechts
Serbien sei in der Sackgasse, schreibt die BERNER ZEITUNG die politische Krise und der Machtkampf zwischen Jugoslawiens Präsident Kostunia und Djindic habe sich gefährlich zugespitzt. Die verstrickten Gegner müssten einen gemeinsamen Weg finden:
"Sonst wird die Opposition des nationalistischen Extremisten Vojislav Seselj, der am Sonntag beachtliche 36 Prozent der Stimmen bekam, gestärkt".
Die NEUE LUZERNER ZEITUNG spricht von der "Wut der Wähler auf den Taktierer Djindjic". Den Prowestlern pfeife "eisiger Wind" ins Gesicht, denn:
"Der anhaltende Machtkampf hat die antiwestlichen und antidemokratischen Parteien gestärkt".
Die Bevölkerung hat die Nase voll
Was denn aus der Wende in Serbien geworden sei, fragt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in ihrem Auslandkommentar. Kostunica sei es wieder nicht gelungen, die eigene Machtbasis von der Ebene der jugoslawischen Föderation auf jene der Republik zu verlagern. So fehle Serbien weiterhin ein politisches Gegengewicht zur Regierung.
Aber das Scheitern der Wahl eines serbischen Präsidenten sei auch Ausdruck der weit verbreiteten Apathie und Desillusionierung der Bevölkerung, kommentiert die NZZ. Die Enttäuschung darüber, dass sich der Lebensstandard für die meisten nicht verbessert habe, sei gross:
"Die Bürger haben ganz einfach die Nase voll vom ewigen Gezänk der neuen politischen Elite. Von dieser Stimmung profitiert der nationalistische Extremist Seselj".
Pessmistisches Fazit der NZZ: Für ein gemeinsames Vorgehen in den wichtigsten Fragen sei es wohl schon zu spät.
Menschenrechte dienen der Sicherheit
Zum Tag der Menschenrechte berichtet die BASLER ZEITUNG über das jahrelange Engagement der Bernerin Ursula Hug gegen die Todesstrafe in den USA. Zehn Jahre lang hatte sie einen Häftling in einer Todeszelle in Texas betreut.
Die Todesstrafe sei eines zivilisierten Landes wie den USA unwürdig, findet Hug. Sie wende sich aber auch in anderen Ländern gegen 'diese unmenschliche Strafe', denn:
"Die Todesstrafe ist destruktiv. Es ist, als würde die Feuerwehr selbst Häuser anzünden".
Die Schweiz wolle bei der UNO besonderes Gewicht auf die Menschenrechte legen, verspricht der Berner Rechtsprofessor Walter Kälin in einem Gespräch mit dem Zürcher TAGES-ANZEIGER zum Tag der Menschenrechte. Er wünschte, ein weiterer Krieg am Golf lasse sich vermeiden:
"Ich hoffe auf die Vernunft der Beteiligten - auf die Kooperation der irakischen Regierung im Rahmen der ihr von der UNO auferlegten Pflichten und auf die Zurückhaltung der USA".
Die Genfer Zeitung LE TEMPS ist da skeptisch. Sie teilt das allgemeine Kopfzerbrechen darüber, wie viel Information und wie viel (Gift)-Vernebelung der jüngste irakische Waffenbericht wohl enthält. So lautet die Überschrift einer Titelseiten-Karikatur:
"Rapport irakien: info ou intox?"
swissinfo, Monika Lüthi

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