PRESSE/Daimler und Telekom droht Vergleich bei Toll Collect (AF)
HAMBURG (awp international) - Den Betreibern des Mautsystems Toll Collect, dem Autokonzern Daimler und der Deutschen Telekom , droht laut einem Zeitungsbericht eine Schlappe im Streit um Schadensersatzforderungen des Bundes. Im Schiedsgerichtsverfahren zeichne sich ab, dass die beiden Konzerne nicht ohne Schadenersatzzahlungen an den Bund davonkommen werden, schreibt die "Financial Times Deutschland" (FTD) am Montag unter Berufung auf Verfahrensbeteiligte. Ein Telekom-Sprecher wies den Bericht klar zurück: "Er entbehrt jeder Grundlage." Nach Angaben beider betroffenen Unternehmen gibt es grundsätzlich keinen neuen Stand im Schiedsgerichtsverfahren.
Der Bund fordert wegen der seinerzeit um 16 Monate verspäteten Einführung des Lkw-Maut-Systems Schadenersatz von 5,1 Milliarden Euro. "Wir sehen keine Grundlage für die Ansprüche des Bundes", sagte der Telekom-Sprecher. Der Bund wirft den Unternehmen dagegen vor, die Risiken der neuen Technologie nicht richtig eingeschätzt zu haben und will die entgangenen Einnahmen ersetzt haben. Ein Daimler-Sprecher erklärte hingegen: "Es liegt in der Natur eines neuen, innovativen Systems, dass nicht alle Risiken auszuschliessen sind." Diese Risiken seien nach bestem Wissen und Gewissen gemanagt worden.
An der Börse verloren beide Titel in einem allgemein schwächeren Markt. Daimler wurde mit einem Abschlag von mehr als zwei Prozent stärker abgestraft. Die Telekom-Aktien büssten mehr oder weniger marktkonform rund ein Prozent ein. Das Ganze sei mit Sicherheit nicht positiv, kommentierte ein Börsianer. Er verwies aber darauf, dass der Rechtsstreit schon sieben Jahre andauere.
Laut dem Zeitungsbericht habe das dreiköpfige Schiedsgericht den Konzernvertretern deutlich gemacht, sie könnten ihre Position nicht halten. Die wahrscheinlichste Lösung sei ein Vergleichsvorschlag. In den kommenden Monaten werde eine Verfügung erwartet, wie das Verfahren zu Ende bringen sei, schreibt das Blatt. Der Telekom-Sprecher wies die Darstellung zurück: "Es gibt keine Empfehlung des Schiedsgerichts zum Ausgang des Schiedsverfahrens. Die Lesart der 'FTD' entspricht möglicherweise dem Wunschdenken eines Beteiligten, hat aber nichts mit der Realität zu tun." Der nächste mündliche Verhandlungstermin wird nach Angaben des Daimler-Sprechers für Frühjahr 2012 anvisiert.
Weil beide Unternehmen von ihrer Rechtsposition überzeugt sind, haben sie auch keine Rückstellungen für den Schadensersatz gebildet. "Wir sehen keine Grundlage für einen Haftungsanspruch, daher gibt es auch keine Rückstellungen", hiess es von Daimler. Wenn Schadensersatz gezahlt werden müsste, entfiele nach Einschätzung von Equinet-Analyst Tim Schuldt jeweils etwa die Hälfte des Betrages auf Daimler und die Telekom. Die Höhe der möglichen Zahlung ist laut LBBW-Analyst Stefan Borscheid aber schwer vorauszusagen. Er halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass der Bund seine Forderung durchsetzen könne.
Unterdessen hat in der vergangenen Woche ein Vertreter des Verkehrsministeriums deutlich gemacht, dass für die Ausweitung der Maut auf Bundesstrassen auch nach Alternativanbietern für Toll Collect geschaut werde. "Es ist klar, dass wir nicht ewig mit Toll Collect verhandeln", wurde Verkehrsstaatssekretär Klaus-Dieter Scheurle von der "FTD" zitiert.
Der Daimler-Sprecher sagte, der Konzern verhandle mit dem Bund, derzeit gebe es aber noch keine Einigung über die Haftungsregelungen in dem neuen Vertrag. Ob der Auftrag ausgeschrieben werde und sich damit auch Konkurrenten bewerben können, sei Sache des Bundes. Damit könnte sich die ursprünglich für Mitte dieses Jahres geplante Einführung der Maut auf Bundesstrassen aber weiter verzögern. Für eine Ausweitung der Maut-Strecken gilt ein Vorlauf von sechs bis acht Monaten als notwendig.
Mit der am 1. Januar 2005 gestarteten Lastwagen-Maut auf deutschen Autobahnen nahm der Bund im vergangenen Jahr rund 4,5 Milliarden Euro ein. Durch die Ausweitung auf Bundesstrassen erhofft sich die Bundesregierung Mehreinnahmen von jährlich 100 Millionen Euro./dct/chs/jha/tw