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Volk entscheidet über Berufsverbot für Pädokriminelle

Plüschbär als Symbol der Unschuld von Kindern als Symbol bei der Einreichung der Initiative. Keystone

Wer wegen sexuellen Vergehen an Kindern oder Abhängigen verurteilt wird, "soll nicht mehr mit Kindern oder Abhängigen arbeiten dürfen". – Das verlangt die umstrittene Pädophilie-Initiative, die am 18. Mai vors Volk kommt.

Dieser Inhalt wurde am 13. März 2014 - 16:07 publiziert
swissinfo.ch

Die Initiative verlangt ein lebenslanges Berufsverbot für Pädokriminelle. Im Parlament wurde sie von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und von Teilen der Christdemokraten unterstützt.

Die Opposition dagegen ist seit den Parlamentsdebatten im vergangenen Jahr still geworden, denn keine politische Partei will sich öffentlich gegen die Initiative aussprechen und damit in den Ruf geraten, die Anliegen der Pädophilen zu verteidigen. 

Mitte März jedoch sprang FDP-Nationalrat Andrea Caroni in die Bresche und stellte zusammen mit Ratskollegen ein Nein-Komitee auf die Beine.

 

Die Initiative war von der Westschweizer Elternvereinigung Marche Blanche lanciert worden. Für ein Ja braucht es das Volks- und das Ständemehr. Kritiker argumentieren, die Initiative sei zu strikt und disproportioniert. Deshalb hat das Parlament im vergangenen Jahr ein neues Gesetz ausgearbeitet. Dieses ist als indirekter Gegenvorschlag zu verstehen, tritt unabhängig von der Initiative in Kraft, und verfolgt das gleiche Ziel wie die Initiative.

Statistik

Im Jahr 2012 wurden in der Schweiz laut dem Bundesamt für Statistik 1203 Personen wegen sexuellen Handlungen mit Kindern überführt.

Die Dunkelziffer, also die strafrechtlich nicht verfolgten Fälle, dürften jedoch viel höher sein.

Schätzungen gehen davon aus, dass eine von vier Frauen und einer von zehn Männern während der Kindheit sexuell missbraucht worden ist.

Die am stärksten betroffene Altersgruppe sind die 7 bis 12-Jährigen.

Manche Kinder erleben diese Form der Gewalt nur einmal, andere werden wiederholt und über Jahre missbraucht.

(Quelle: Kinderschutzbund)

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Bundesrat dagegen

In den drei Jahren seit die Initianten ihr Anliegen offiziell deponiert haben, hat das Parlament mehrmals darüber diskutiert, schliesslich jedoch darauf verzichtet, eine Empfehlung zuhanden der Wähler abzugeben. Der Bundesrat empfiehlt eine Ablehnung der Initiative. Sie sei unpräzis, nicht komplett und nicht kompatibel mit den Prinzipien der schweizerischen und der internationalen Gesetzgebung.

Vorstösse für strengere Sanktionen gegen Pädophile hatten im Parlament während Jahren keine Chance. Im vergangenen November sah sich das Parlament mit der bevorstehenden Volksabstimmung konfrontiert und beschloss ein entsprechendes Gesetz.

Gesetz mit Rayonverbot

Dieses sieht eine differenzierte Beurteilung von Pädophilen vor, während die Initiative in jedem Fall und ohne richterlichen Beschluss ein lebenslanges Berufsverbot fordert. Für Sexualdelikte an Minderjährigen und Abhängigen sieht das Gesetz ein zehnjähriges Berufsverbot vor, das jeweils um fünf Jahre verlängert werden kann. Das Verbot kann auch lebenslänglich verhängt werden, wenn zu erwarten ist, dass vom Täter immer noch eine Gefahr ausgeht. Zudem erfasst das Gesetz auch allgemeine Gewaltverbrechen gegen Kinder und Abhängige.

Ein weiterer Unterschied zwischen Gesetz und Initiative ist, dass das Gesetz auch ein Rayonverbot vorsieht. Das heisst, Pädophilen kann der Aufenthalt rund um Pausenplätze, Schwimmbäder und Kindergärten verboten werden.

Fall in Biel als Auslöser

Die Initianten wollen es nicht den Richtern überlassen, Berufsverbote auszusprechen. Sie verweisen auf die magere Bilanz gegen Pädophile in den vergangenen Jahren und zitieren einen Fall in der Stadt Biel im Jahr 2004.

Damals hatte sich die Schulpflege für einen Lehrer entschieden, der bereits einschlägig wegen Pädophilie vorbestraft war. Er sollte eine Klasse mit 13-jährigen Schülern unterrichten, weil sein Dossier unter verschiedenen Kandidaten "das Beste" gewesen sei.

Verschiedene Protestmärsche und andere Vorstösse seitens von Marche Blanche führten nicht zum Ziel: Die Schulpflege hielt an ihrem Entscheid fest und beschäftigte den Lehrer weiter. Da auch Vorstösse im Parlament aus der Sicht von Marche Blanche nicht den gewünschten Erfolg brachten, lancierte die Vereinigung die Initiative, die nun vors Volk kommt.

Meiste Fälle in der Familie

"Eigentlich ist es traurig, dass die Stimmbürger aktiv werden und solche Initiativen lancieren müssen, weil die Politik nicht von sich aus handelt. Dabei ist die Sicherheit eine der wichtigsten Aufgaben des Staates", sagte SVP Nationalrätin Natalie Rickli in der Parlamentsdebatte: "Wir müssen die Gesellschaft und insbesondere Kinder oder Abhängige vor Wiederholungstätern schützen. Genau darum geht es in dieser Initiative. Wird ein Pädophiler verurteilt, soll er nicht mehr mit Kindern oder Abhängigen arbeiten dürfen, weder im Beruf noch in der Freizeit."

Die Grünliberale Isabelle Chevalley zeigte sich einverstanden mit der Forderung, dass Pädophile nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen, sagte aber auch, die Initiative sei zu eng formuliert: "Gleichzeitig hat sie aber auch Lücken. Man muss sich bewusst sein, dass die meisten Fälle von sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie passieren. In all diesen Fällen kann die Initiative leider nichts ausrichten."

Berufsverbot: falsche Richtung

Die Psychologin Monika Egli-Alge vom forensischen Institut der Ostschweiz sagt, ein lebenslanges Berufsverbot gehe in die falsche Richtung. "Wir müssen alles tun, um Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen. Das muss für jeden Bereich der Pädophilie gelten", sagt sie gegenüber swissinfo.ch.

"Pädophile sind eine Gefahr für die Gesellschaft. Sie kann aber mit den geltenden Gesetzen bestraft werden. Die Sanktionen sind dazu da, um sie zu verhängen. Das erfordert mutige Entscheide und Zivilcourage seitens der Gerichte und Behörden."

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