Härtetest für Bilaterale Abkommen Schweiz-EU
Die Abstimmung über die "Masseneinwanderungs-Initiative" könnte knapp ausgehen, wie letzte Umfragen zeigen. Nun sind die Urnen geschlossen. Wird die Vorlage angenommen, stellt dies die Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in Frage. Abgestimmt wird auch über den Ausbau der Bahninfrastruktur und die Finanzierung von Abtreibungen.
Die Plakate und Inserate waren nicht zu übersehen: Klar die umstrittenste Vorlage am Abstimmungssonntag ist die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Sie hatte im Vorfeld des Urnengangs mächtig Staub aufgewirbelt.
Das Volksbegehren fordert, die Zuwanderung mit Kontingenten im Ausländer- und im Asylbereich zu begrenzen. Seit 1980 habe die Anzahl der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz stetig zugenommen. Heute stamme jede vierte Person aus dem Ausland, so das Komitee.
"Die Folge: Die heutige Zuwanderung ist für die Schweiz weder kulturell noch mengenmässig verkraftbar." Deshalb müsse der Bundesrat nach einer Annahme der Volksinitiative mit der Europäischen Union (EU) über den freien Personenverkehr nachverhandeln, damit die Schweiz die Einwanderung wieder selber kontrollieren könne. Unterstützung in ihrem Anliegen erhält die SVP von keiner der im Parlament vertretenen Parteien.
Die Regierung und eine deutliche Parlamentsmehrheit sind gegen die Initiative. Sie befürchten, dass die EU die Personenfreizügigkeit aufkündigen könnte. Und geschehe dies, würden wohl die Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU fallen.
Die Schweiz verdanke ihren Reichtum in den letzten Jahren unter anderem auch der Öffnung gegenüber der EU und dem freien Personenverkehr, der qualifizierte Arbeitskräfte ins Land gebracht habe, argumentieren sie. Das Nein-Komitee bezeichnet die Vorlage in ihrer Kampagne daher auch als "Abschottungs-Initiative". Allerdings ist man sich über die mögliche Reaktion Brüssels uneins.
Ja-Lager legt zu
Trotz dem breiten Lager an Gegnern konnten die Befürworter in den letzten Wochen zulegen. Dies zeigt eine Umfrage der SRG SSR, durchgeführt vom Forschungsinstitut gfs.bern.
Entgegen dem Trend, wonach Initiativen im Verlauf der Abstimmungskampagne an Zustimmung verlieren, haben sich zwei Wochen vor dem Urnengang deutlich mehr Personen für die Initiative ausgesprochen, als in einer ersten Umfrage Anfang Jahr.
43% der Befragten wollten die Initiative annehmen. Doch noch immer können die Gegner eine Mehrheit für sich behaupten, denn 50% sprachen sich für ein Nein aus.
Mehr Geld für Bahnausbau?
Klarer scheint es bei der zweiten Vorlage auszusehen, dem Bundesbeschluss über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI). In der letzten Umfrage vor dem Urnengang verfügte das Ja-Lager über eine Mehrheit von 56%.
Der Bund verspricht sich mit diesem Massnahmen-Paket über 6,4 Milliarden Franken für Unterhalt, Betrieb und Ausbauten der Bahn mehr Platz in den Zügen, weniger Stau auf den Strassen, Halbstundentakt im Fernverkehr, einen besser geregelten Güterverkehr und vieles mehr. Eine gute Infrastruktur sei auch ein wertvoller Standortfaktor für die Wirtschaft. Der Bundesrat und eine deutliche Parlamentsmehrheit sind für das Begehren.
Von den im Parlament vertretenen Parteien ist einzig die SVP dagegen. FABI sei ein "unausgegorener, weil unter grossem zeitlichem und medialem Druck ausgearbeiteter" Vorschlag. Dass jede Region zum Zuge komme, sei ein "Wunschkonzert der Regionen". Die Zeche für die Wünsche der Politiker schliesslich müssten die Konsumenten berappen. Zudem werde einmal mehr die Schiene der Strasse vorgezogen.
Abtreibung selber bezahlen?
Dritte Vorlage ist die Volksinitiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache", die fordert, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr von der obligatorischen Krankenversicherung bezahlt werden sollen. Die Initianten hatten 2009 versucht, die Abtreibung aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung auszuschliessen, waren aber damit im Parlament gescheitert.
Für die Befürworter ist klar, dass Abtreibungen nicht von der Allgemeinheit mitfinanziert werden sollen. Durch die Privatisierung der Abtreibungsfinanzierung könnten jährlich zwischen 8 und 20 Millionen Franken eingespart werden. Dies würde zudem dazu führen, dass Abtreibungen um einen Viertel zurückgingen. Unterstützt werden die Initianten von der SVP und der Evangelischen Volkspartei (EVP).
Der Bundesrat und eine deutliche Parlamentsmehrheit haben sich gegen die Initiative ausgesprochen. Sie betonen, die Initiative untergrabe das Solidaritätsprinzip der Krankenversicherung, bestrafe die Frauen und entlasse die Männer aus der Verantwortung. Das Stimmvolk habe bereits 2002 der so genannten Fristenlösung zugestimmt, die den straffreien Schwangerschaftsabbruch für Frauen in einer Notlage in den ersten zwölf Wochen vorsieht.

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