Parlamente sollen abspecken
Grosse Regierungen und Parlamente kosten viel Geld und arbeiten nicht effizient. Solche Behauptungen, welche insbesondere die Schweizerische Volkspartei (SVP) verbreitet, haben die Verkleinerung der politischen Institutionen in mehreren Kantonen der Schweiz zum Thema gemacht.
Die Rufe nach kleineren Regierungen und Parlamenten häufen sich seit Mitte der 90-er Jahre. "Schlankheitskuren" stehen zurzeit in den Kantonen Ob- und Nidwalden, Luzern, Aargau, Bern und Solothurn an oder sind zumindest geplant.
SVP-Initiativen in der Inner- und Zentralschweiz
Der Regierungsrat des Kantons Obwalden will - in Übereinstimmung mit einer am 10. Juni angenommenen Initiative der SVP - seine Mitgliederzahl per 2002 von sieben auf fünf reduzieren. Das Obwaldner Volk muss am 2. Dezember erneut darüber abstimmen.
Im Kanton Luzern soll eine gleich lautende SVP-Initiative bis März 2002 dem Volk unterbreitet werden. Im Kanton Nidwalden ist im Rahmen der Verwaltungsreform per 2006 eine Verkleinerung des Regierungsrats von sieben auf fünf Mitglieder vorgesehen.
Kleinere Parlamente
Eine Verkleinerung des Parlaments ist in den Kantonen Bern, Aargau und Solothurn ein Thema. Der Berner Grosse Rat - neben dem Aargauer Grossen Rat das grösste Kantonsparlament - soll frühestens per 2006 von 200 auf 160 Mitglieder reduziert werden.
Im Kanton Aargau beschlossen die Freisinnigen im vergangenen Mai die Lancierung einer Volksinitiative zur Verkleinerung des Grossen Rates von 200 auf 140 Parlamentarier und Parlamentarierinnen.
Im Solothurner Kantonsrat muss - auf Grund einer vor einem Jahr vom Volk gutgeheissenen SVP-Initiative - die Mitgliederzahl von 144 auf 100 reduziert werden.
Effizienz verbessern
Im Zentrum dieser Reformen steht die Sorge um die Effizienz des Kollegialitäts-Prinzips, "eines punkto Verhandlungen sehr fordernden Systems", wie Pascal Sciarini, Professor am Lausanner "Institut für Management in öffentlichen Verwaltungen", erklärt. In kleineren Regierungen seien Entscheidungs-Prozesse kohärenter und schneller.
Gemäss Hans Hirter, Politologe an der Universität Bern, besteht heute eine Tendenz, die zunehmenden Aufgaben in einer reduzierten Zahl von "Super-Ministerien" zusammenzufassen, was die Koordination verbessern soll. Auch bei den Kantonsparlamenten verspricht man sich durch eine Verkleinerung eine Erhöhung der Effizienz.
Taktische Überlegungen der SVP
Hinter den Forderungen nach schlankeren Regierungen und Parlamenten stehen auch taktische Überlegungen, wie sie etwa bei den Initiativen der SVP in Solothurn, Obwalden und Luzern zum Ausdruck kommen. Mit solchen Ideen will sich die SVP in jenen Kantonen profilieren, wo sie noch nicht etabliert ist.
Es gibt aber auch Gegentendenzen. Im Kanton Bern etwa stösst die Verkleinerung des Grossen Rates inklusive Wahlkreisreform bei der SVP auf wenig Begeisterung, weil sie eine Schwächung ihrer bislang dominanten Position befürchtet. "Man muss immer schauen, wer vom neuen System profitiert und wer verliert", sagt Ulrich Klöti, Politikwissenschaftler an der Universität Zürich.
Die Streichung von Regierungs- oder Parlamentssitzen bedeutet, dass die Parteien ein bisschen "Harakiri" machen, wie Sciarini erklärt. Die Politologen sind allerdings der Ansicht, dass eine Verkleinerung weder die Stellung der grossen Parteien gefährdet noch zu bedeutenden Umwälzungen der politischen Kräfte führt.
Mehr Macht oder stärkere Macht?
Problematisch ist die Situation jedoch für kleine Parteien. Um ihre Wahlchancen aufrecht zu erhalten, werden Verkleinerungen von Parlamenten in der Regel von einer Neuordnung der Wahlkreise begleitet. Gefordert werden weniger, aber grössere Wahlkreise.
Gemäss Sciarini stehen die Parteien vor einem Dilemma: Wollen sie mehr Macht oder eine stärkere Macht? Weil die Parteien auch auf Grund ihrer Leistungen beurteilt würden, müssten sie ein Interesse an funktionierenden Legislativen und Exekutiven haben.
swissinfo und Florence Pictet (sda)

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