Orden: Die Schweiz bleibt zurückhaltend
Der Ethnologe Pierre Centlivres wurde zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Damit erhält dieses Jahr der 7. Schweizer den höchsten französischen Orden.
Die Schweiz ist solchen Ehrungen gegenüber zurückhaltend. Beamte und Armeeangehörige sind davon ausgeschlossen.
Der Neuenburger Pierre Centlivres wurde zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Er wird den Orden noch in diesem Jahr erhalten, voraussichtlich im Herbst.
Pierre Centlivres leitete von 1974 bis 1998 das Ethnologische Institut von Neuenburg. Als ausgewiesener Afghanistankenner war er ausserdem von 1964 bis 1966 Berater des Nationalmuseums von Kabul.
Der Ethnologie weiss aber selber nicht genau, weshalb er in die Ehrenlegion aufgenommen wird. "Ich nehme an, dass es wegen meiner Zusammenarbeit mit französischen Institutionen im Rahmen der Frankophonie ist", erklärt er.
Pierre Centlivres arbeitete in der Agence universitaire de la francophonie und der Forschungsdirektion der Hochschule für Sozialwissenschaften (Ecole des Hautes Etudes en sciences sociales) in Paris mit und beteiligte sich an den Arbeiten des Conseil du patrimoine ethnologique des französischen Kulturministeriums.
Bruch mit dem Ancien Régime
Nicht jeder Schweizer oder Schweizerin kann einen ausländischen Orden entgegennehmen. Die Annahme ist genau geregelt, denn in der Schweiz ist man solchen Ehrungen gegenüber nach wie vor misstrauisch.
Unter dem Ancien Régime waren Soldaten das wichtigste "Exportprodukt" des Bundes. Um sich die Treue der Schweizer zu sichern, hatten die ausländischen Monarchien (allen voran Frankreich) die Gewohnheit, Pensionen, Adelstitel und Orden zu verleihen.
Bei der Errichtung des Bundesstaates 1848 war den Schweizer Behörden die Wahrung der Unabhängigkeit des neuen Staates ein Anliegen. Dazu schafften sie den Militärdienst im Ausland ab (mit Ausnahme der päpstlichen Garde) und regelten die Verleihung ausländischer Titel, Pensionen und Orden ganz genau.
Artikel 12 der Bundesverfassung hielt fest, dass Parlamentarier und Bundesbeamte ausländische Orden weder empfangen noch tragen durften. Bei der Verfassungsrevision von 1874 wurde dieses Verbot auf Schweizer Armeeangehörige ausgeweitet.
Ein Bundesrat mit Orden
Trotz dieser Verfassungsbestimmung liessen sich aber einige vom Volk gewählte Abgeordnete mit Orden auszeichnen. Der berühmteste Fall ist Bundesrat Gustave Ador (1917-1919), der das Grosse Kreuz der Ehrenlegion erhielt.
1928 verlangte eine Volksinitiative eine Verschärfung, um Missbräuche zu bekämpfen. Die Initiative wurde schliesslich zurückgezogen, nachdem sie 1931 zu einem Gegenentwurf der Regierung geführt hatte.
Demnach wurde das in der Bundesverfassung festgehaltene Verbot des Tragens ausländischer Orden auf Kantonsbehörden und -beamte ausgeweitet. Ausserdem wurde das Tragen von Orden für vollständig unvereinbar mit dem Status des Bundesparlamentariers erklärt, sogar wenn die Orden vor der Wahl verliehen wurden.
Diese Regel wurde streng befolgt. Um in den Nationalrat gewählt werden zu können, musste zum Beispiel der Genfer Jean Ziegler auf seinen Titel als (französischer) Officier de l’Ordre des Arts et des Lettres verzichten.
In der neuen Bundesverfassung gestrichen
Bei der Revision der Bundesverfassung (Volksabstimmung 1999) wurde Artikel 12 über die Orden aufgehoben. Das Parlament befand, dass dieses Thema in einem Gesetz geregelt werden sollte.
Was nicht heisst, dass man die Sorge um die Unabhängigkeit der Schweiz vergass. "Bei der Diskussion über das neue Gesetz waren sich alle Parlamentsmitglieder einig, dass dies zu Abhängigkeiten führen kann, dass man nicht mehr frei ist, wenn man anfängt, Orden zu empfangen", erinnert sich Aldo Lombardi, Chef des damaligen Diensts für die Totalrevision der Verfassung.
Das neue Gesetz (Bundesgesetz über Titel und Orden ausländischer Behörden) übernimmt die wichtigsten Bestimmungen des früheren Artikels 12.
So dürfen Armeeangehörige, die Dienst leisten, Parlamentsmitglieder und Bundesbeamte nach wie vor keine Orden eines ausländischen Staates annehmen.
Das Gesetz wurde aber etwas entschärft. Wer vor einer Wahl oder einer Ernennung einen Orden erhalten hat, muss ihn nicht mehr zurückgeben, um sein Amt anzutreten. Er darf nur während der Amtszeit nicht getragen werden.
Ausserdem enthält das Bundesgesetz kein Verbot für Kantonsabgeordnete und -beamte mehr. Die Kantone können dies aufgrund ihrer eigenen Verfassung oder Gesetzgebung regeln.
Andere sind auch zurückkhaltend
Das neue Bundesgesetz zeigt, dass die Schweiz beim Tragen von Orden durch ihre Vertreter sehr vorsichtig ist. Aber sie ist nicht das einzige Land, das so vorgeht.
Die meisten Staaten, sogar jene, welche Orden verleihen, sind selber recht pedantisch, wenn es um ausländische Orden geht. Die USA und die Nachbarländer der Schweiz verfügen ebenfalls über eine entsprechende Gesetzgebung.
Im Allgemeinen dürfen ausländische Orden nur mit einer Genehmigung durch die Behörden, manchmal gar des Staatschefs persönlich, getragen werden.
Der Schutz der staatlichen Unabhängigkeit ist demnach ein sehr verbreitetes Anliegen. Das heisst aber nicht, dass das Tragen eines Ordens einer schändlicher Krankheit gleichzusetzen wäre. "Es gibt keinen Grund, eine ehrenvolle Auszeichnung zu verbergen", findet Centlivres.
swissinfo, Olivier Pauchard
In Kürze
Armeeangehörige, Mitglieder des Bundesparlaments und Bundesbeamte dürfen ausländische Orden weder empfangen noch tragen. Diese Regel gilt auch, wenn die Orden als Auszeichnung für humanitäre Aktivitäten verliehen werden.
Dieses Verbot gilt nur für Orden oder Titel, die von Staaten verliehen werden. Der Nobelpreis zum Beispiel gehört nicht dazu.

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