Nahost: Schweigen brechen
Juden und Araber fordern in einem Manifest eine politische Lösung des Nahost-Konflikts. Derweil bedauert die offizielle Schweiz die Zerstörung palästinensischer Einrichtungen.
Mit dem Manifest, das in der Schweiz schon von 200 Juden und Arabern unterzeichnet wurde, wolle man im in erster Linie unterstreichen, "dass es jetzt reicht", sagte Alain Bittar, einer der Initianten. "Wir sind nicht mehr einverstanden, dass die Bevölkerung einfach nur schweigt."
Kritisiert wird insbesondere die Politik der Regierung Sharon, insbesondere die Vergeltungs-Massnahmen der israelischen Armee in den Palästinenser-Gebieten. Auch die Absicht, "die Palästinensische Autonomiebehörde zu zerstören", wird verurteilt.
Verhandlungslösung gefordert
Gleichzeitig wendet sich das Manifest, das auch in andern Ländern zirkuliert, gegen "jegliche Anschläge gegen die israelische Bevölkerung" und kritisiert all jene, die sich gegen eine Regelung auf Verhandlungsbasis stellen.
Die Unterzeichner fordern im Weiteren den Rückzug der israelischen Streitkräfte von allen 1967 besetzten Gebieten, inklusive Ost-Jerusalems. Zudem sprechen sie sich für die Bildung eines souveränen palästinensischen Staates an der Seite von Israel aus, mit sicheren und anerkannten Grenzen im Rahmen eines globalen Abkommens.
"Wir wollen beweisen, dass es innerhalb der beiden Gemeinschaften unterschiedliche Sensibilitäten gibt, dass es Stimmen gibt, die sich einer Radikalisierung der Positionen entgegenstellen", umreisst der Westschweizer Journalist Pierre Hazan das Ziel des Manifestes. "Wir wollen einen Raum für Dialog schaffen." Dies sei wichtig auch damit sich die aktuellen Spannungen - wie man sie etwa in Frankreich schon beobachten könne, sich nicht weiter in Europa ausdehnten.
Beträchtliche Schäden
Auch die offizielle Schweiz hat sich zur Gewalteskalation im Nahen Osten geäussert. Man bedaure die Zerstörung palästinensischer Einrichtungen durch Israel, sagte Annick Tonti von der Direktion für Entwicklungshilfe und Zusammenarbeit (DEZA) in Bern. Zahlreiche auch von der Schweiz unterstützte Projekte seien "zu Staub" geworden.
Schulen, Strassen im Gaza- Streifen sowie Kanalisations- und Wasserversorgungs-Systeme in Dschenin im Westjordanland wurden zerstört. An diese Einrichtungen hatte die Schweiz über die Weltbank rund 12 Mio. Franken beigesteuert.
Dateien entwendet
Vor rund zehn Tagen haben Israelische Soldaten die Einrichtungen eines gemeinsamen Projekts der Schweiz und der Europäischen Union (EU) vollständig verwüstet: Das Projekt betraf die Rehabilitation ehemaliger palästinensischer Häftlinge. Die Büros dieses Amtes befinden sich in Ramallah im Westjordanland, in der Nähe der Büros von Jassir Arafat.
Die Büros seien von israelischen Soldaten besetzt, und die Israelis hätten sich auch der Kartei der Ex-Häftlinge bemächtigt, sagte Annick Tonti. Die Schweiz hatte für diese Berufsbildungs-Programme rund 10 Mio. Franken aufgebracht.
Verschwommene Erklärungen
Nach dem Angriff auf das von der Schweiz mitfinanzierte palästinensische Statistikbüro im vergangenen Jahr hatte die Schweiz im Dezember vom israelischen Aussenministerium eine "Erklärung" verlangt. "Wir haben keine schlüssigen Antworten erhalten", sagte Roland Steininger vom Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Es habe nur eine sehr allgemeine Antwort mit Berufung auf Sicherheitsgründe gegeben. Die Schweiz bedaure jedoch die Zerstörung privater und landwirtschaftlicher Besitzungen oder von ziviler Infrastruktur der palästinensischen Behörde.
Gewalt wird geschürt
Für Bern sind die Zerstörungen gemäss internationalem humanitärem Recht "untersagte Akte". "Sie vermögen lediglich die Gewalt zu schüren und die notwendige Wiederaufnahme des politischen Dialogs zu behindern", hielt das EDA kürzlich in einem Positionspapier zum Nahen Osten fest.
Schweizer Experten sollen die Schäden nun vor Ort evaluieren. Laut EDA-Mitarbeiter Pierre-Yves Fuchs hat die Schweiz seit Beginn des Oslo-Prozesses im Jahr 1993 rund 100 Mio. Franken in der Region investiert. Bern "schliesse nicht aus", eine ähnliche Demarche wie die EU zu unternehmen.
Millionen EU-Gelder
Die EU hatte Ende Januar in einem Brief an Israels Aussenminister Shimon Peres ein Ende der Zerstörungen verlangt. Sie behielt sich, ohne dies weiter zu präzisieren, "das Recht angemessener Folgen in dieser Frage" vor.
Brüssel schätzt die Schäden an Gebäuden oder sonstiger Infrastruktur, die von der EU finanziert wurden, auf über 17 Mio. Euro (über 25 Mio. Franken). Darunter befinden sich namentlich der Flughafen von Gaza oder das Radio "Stimme Palästinas".
swissinfo und Agenturen

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