Nachdenken übers Denkmal
Am europäischen Tag des Denkmals werden schweizweit die Türen fürs Publikum geöffnet.
Das Institut für Denkmalpflege der ETH Zürich und das Expert-Center für Denkmalpflege tragen massgeblich zur Erhaltung der schweizerischen historischen Bauten bei.
Wer Denkmal hört, denkt zuerst an in Bronze gegossene, längst vergangene Helden, die auf einem Sockel thronen. Willhelm Tell, Hans Waldmann, Jean Jacques Rousseau, Adrian von Bubenberg - bestandene Männer als Zeitzeugen, als Erinnerung an heroische Zeiten.
Frauen wurden und werden weit weniger in langlebiges Metall gegossen. Die Ausnahme bestätigt jedoch auch hier die Regel: Helvetia.
Kleine Räume - viele Aufträge
Ein Augenschein im Institut für Denkmalpflege der ETH sowie des ihm angegliederten Expert-Centers, beide im trendigen Kreis 5 in Zürich, bringt die Realität so vieler Labors zutage: Auf engstem Raum möglichst viel verstauen und gute Arbeit leisten, Denkmalpflege eben.
Was wird gepflegt?
Wandmalereien, Verputze, Mauern, Steinwerk, Stukkaturen, Decken, grosse und kleine Gebäude, Häuser, Kirchen, Brunnen und Klöster: Die Liste der denkmalgepflegten Objekte ist lang und lässt sich laufend erweitern.
Denkmalpflege ist Massarbeit, kein Objekt ist wie das andere. Das heisst, Spezialisten machen einen einzigartigen Job. Naturwissenschaftlerinnen, Konservatoren, Restauratoren arbeiten Hand in Hand, sammeln Daten, suchen nach Zusammenhängen und finden mit weiteren Fachkräften die bestmöglichste Lösung.
Das Gleichgewicht stimmt nicht
So möchte zum Beispiel ein Hausbesitzer im Kanton Baselland ein Gebäude, dessen eine Mauer die Reste einer Stadtmauer von Liestal sind, verputzen lassen. Die Mauer weist umwelt- und fäkalienbedingte Schädigungen auf, die es zu eliminieren gilt.
"Bauten gehen kaputt, weil ihre Eigenschaften nicht mit den Eigenschaften ihrer Umwelt übereinstimmen. Ein Velo, das im Regen steht, rostet auch, ist nicht im Gleichgewicht. Also versucht man, die Umgebungsbedingungen zu verbessern oder das Objekt resistent zu machen, quasi 'ein Vitaminstoss zur Gesundung'", erklärt Christine Bläuer Böhm, Leiterin des Expert-Centers für Denkmalpflege.
Dies verlangt im Fall der alten Stadtmauer aufwändige Abklärungen. Es werden Proben aus der Mauer entnommen, gefachsimpelt, Offerten erstellt und schliesslich eine dem Objekt angemessene Lösung präsentiert.
Vorzeigeobjekt
Eines der prestigeträchtigen Projekte des Expert-Centers ist die Konservierung der romanischen Holztafeldecke der Kirche St. Martin in Zillis, Graubünden. In der Zeit um 1130 wurde die ausserordentlich bemalte Kirchendecke geschaffen, bestehend aus 153 quadratischen Bildtafeln.
Sie ist weltweit das einzige Werk dieser Art und nahezu vollständig erhalten. Ein Baudenkmal ersten Ranges, welches einer sorgfältigen Konservierung bedarf.
Doch nicht alle Aufträge sind von solch grosser Bedeutung. Der Alltag ist, wie überall, profaner. Allein das sozio-kulturelle Phänomen der "Graffitis", von anderen "Schmierereien" genannt, bringt Arbeit zuhauf.
Der Drang, sich zu verewigen, Spuren zu hinterlassen, wurde bereits in der Antike an den Wänden Pompeis dokumentiert. Doch den heutigen Spraydosen-Verewigern ist mit Schwamm und Seife natürlich nicht mehr beizukommen. Da sind einmal mehr die Spezialisten gefragt.
Über die Landesgrenze
Beide Institutionen sind auch im Ausland tätig. Europa, Georgien, Ägypten, Kambodscha sind einige Beispiele.""Unter Wissenschaftlern ist es selbstverständlich, dass man sich untereinander austauscht und voneinander lernt", betont Konrad Zehnder, Leiter der Forschungsstelle Technologie und Konservierung des Institutes für Denkmalpflege der ETH.
So untersuchen Zehnder und sein Team zur Zeit mittelalterliche Höhlensiedlungen und eine Klostersiedlung in der Kvemo Kartli, einer Provinz in Georgien. In den Höhlenkomplexen befinden sich in Stein gehauene und gemalte Wandmalereien, die kultur- und kunsthistorisch bedeutend sind.
Entwicklungsland Schweiz
Gemessen an ihren vielen historischen Bauten leistet sich die Schweiz nur ein kleines Institut zur Erhaltung dieser alten Gemäuer. Schade, misst sich doch Lebensqualität auch am Erhalt alter schützenswerter Bauten.
Während in Italien jedes Kind im Bewusstsein für die Schönheit und den Reichtum seiner Bauten aufwächst, gilt in der Schweiz der Denkmalschutz eher als altbacken und oftmals störend. Die Bedeutung eines Baudenkmals ist in der Öffentlichkeit nicht so präsent. Die Schweiz ist auf diesem Gebiet noch ein Entwicklungsland.
Brückenschlag
Der Internationale Tag des Denkmals soll hier Abhilfe schaffen, Brücken schlagen, Fragen beantworten und neue aufwerfen.
"Es gilt auch die verschiedenen Handwerkstechniken zu erhalten. Einige davon sind ja am Aussterben. Das Bekenntnis zur alten Methode allein genügt nicht, man muss die Künste auch noch beherrschen und sei es das einfache 'Weisseln' (Kalken) einer Wand", wie Christine Bläuer Böhm betont.
Brigitta Javurek
In Kürze
1972 gegründet, ist das Institut für Denkmalpflege ID eine Forschungs- und Lehreinheit der Architekturabteilung der ETH Zürich. Hier wird geforscht in den Bereichen Denkmalpflege, Altbausanierung, Technologie und Konservierung, Bauforschung und Archäologie.
Das Expert-Center, sozusagen eine Schwester des ID, ist die Beratungs- und Forschungsstelle für naturwissenschaftliche und technologische Fragen der Konservierung von Baudenkmälern. Es gibt eine weitere Station in der Westschweiz.

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