Nach 600 Tagen Geiselhaft wieder frei
Ein vor 20 Monaten im Kaukasus entführter Mitarbeiter der Hilfsorganisation "Médecins sans frontières" (MSF) ist wieder auf freiem Fuss. Der Niederländer Arjan Erkel war Projektleiter der Schweizer MSF-Sektion im Kaukasus.
Das Schweizer Aussenministerium reagierte am Sonntag mit Genugtuung auf die Freilassung.
Westliche Staats- und Regierungschefs hatten sich um die Freilassung des Niederländers bemüht und sich auch bei Russlands Präsident Wladimir Putin mehrmals für eine intensivere Suche nach Erkel eingesetzt. Erst vor einigen Wochen hatte auch der UNO-Menschenrechts-Kommissar die Freilassung Erkels gefordert.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wies in einem Communiqué vom Sonntag auch auf die Bemühungen der Schweiz zur Freilassung Erkels hin. Die Schweiz sei mehrmals bei den Behörden in Russland und bei der russischen Botschaft in Bern vorstellig geworden.
Vorstösse auf höchster Ebene
Auch auf höchster Ebene sei die Forderung nach einer Freilassung Erkels mehrmals zum Ausdruck gebracht worden, schreibt das EDA weiter.
So beim Besuch des damaligen Bundespräsidenten Pascal Couchepin im Juli 2003 beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die letzte Demarche sei erst jüngst erfolgt, Aussenministerin Micheline Calmy-Rey habe sich in dem Fall an ihren russischen Amtskollegen Sergej Lawrow gewandt.
Müde und erleichtert
Er sei sehr müde, zitierten Nachrichtenagenturen Arjan Erkel nach dessen Freilassung und Ankunft in Moskau. "Ich möchte Gott danken, der mich heute wieder ins Leben zurückgebracht hat", erklärte Erkel, der dünn wirkte und einen Vollbart trug, in einer kurzen Erklärung. Auf Fragen der Presse ging er nicht ein.
Dem 34-jährigen Niederländer gehe es "den Umständen entsprechend gut", erklärte Thomas Linde, Direktor von MSF Schweiz am Sonntag. Ein Mitarbeiter habe Erkel in Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, besuchen können, bevor dieser nach Moskau flog.
Einzelheiten zur Freilassung wurden nicht bekannt. Linde sagte, seine Organisation habe keine Informationen. "Wir wissen nicht, wo Erkel gefangen gehalten wurde, wer seine Entführer waren und wie die Geiselhaft zu Ende ging", sagte Linde.
Keine Details zur Freilassung
Wie die Freilassung im Detail erfolgte, blieb offen. Die russische Nachrichtenagentur RIA-Nowosti hatte unter Berufung auf das dagestanische Innenministerium gemeldet, Erkel sei von einem Kommando des russischen Geheimdienstes FSB und des Innenministeriums der Teilrepublik Dagestan befreit worden.
Zur Frage, ob Lösegeld bezahlt wurde, wollte sich ein Sprecher des russischen Innenministeriums in Dagestan nicht äussern.
Ein Sprecher des niederländischen Aussenministeriums dankte den russischen Behörden und internationalen Organisationen für ihre Hilfe.
Im August 2002 entführt
Erkel war am 12. August 2002 in Machatschkala von drei Bewaffneten entführt worden. Nach Angaben von MSF hatten zwei Mitarbeiter des FSB der Entführung tatenlos zugesehen.
MSF hatte in der Folge mehrmals die russischen Behörden kritisiert und Russland eine Verwicklung in die Entführung vorgeworfen. Das Verschwinden Erkels sei Teil einer Einschüchterungskampagne, "um Leute zum Schweigen zu bringen, die immer noch über Tschetschenien reden".
MSF hatte bis zur Entführung Erkels als einzige unabhängige humanitäre Organisation noch in der russischen Teilrepublik Dagestan gearbeitet. Nach der Entführung Erkels stellte MSF ihre Hilfe in der Kaukasusrepublik fast ganz ein.
Noch immer in der Region aktiv
Die Organisation unterstützte bisher aber weiterhin vertriebene Tschetschenen im angrenzenden Inguschetien. Und in dem von einem brutalen Krieg zwischen Rebellen und russischen Truppen heimgesuchten Tschetschenien verteilen ihre lokalen Angestellten medizinisches Material.
Erkel ist nicht das erste MSF-Entführungsopfer in Südrussland. Bereits im Januar 2001 war ihr US-Mitarbeiter Kenneth Gluck in Tschetschenien entführt worden. Knapp einen Monat später wurde er vom FSB befreit.
swissinfo und Agenturen

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