Mitleid statt Wut
Die Anzeigetafel in der Abflughalle des Terminals A am Flughafen Kloten war am Dienstag ein Sinnbild für die Zerstörung des Mythos Swissair. Ausser Annullationen und Verspätungen hatte der einstige Nationalstolz den Passagieren nichts mehr zu bieten. Statt Wut herrschten Ratlosigkeit und Mitleid.
Das Bild wiederholte sich am Dienstag hunderte Male: Flugreisende mit Gepäck und den gültigen Swissair-Tickets in der Hand blickten zur Anzeigetafel hoch und suchten nach ihrem Flug, hinter dem aber nur das gelbe Zeichen "annulliert" oder "verspätet" aufleuchtete. Während die einen sofort eine Telefonzelle aufsuchten oder das Handy zückten, fanden sich andere am Swissair-Schalter ein, um ihre Flüge umzubuchen. Wieder andere stellten sich auf eine ungewiss lange Wartezeit ein oder gingen gleich wieder nach Hause.
"Uns wurde gesagt, der Flug sei verspätet. Wer's glaubt?", sagte ein Ehepaar, das über Lissabon in die Ferien nach Madeira fliegen will. Dass der Flug ausfällt sei zwar nicht so schlimm wie die Situation der Swissair selber. Aber sie seien bitter enttäuscht: "Die Swissair ist doch ein Teil des Nationalstolzes, ein Stück Heimat". Die Rolle des Bundesrates sei schäbig. "Das ist ein schwarzer Tag für der Schweiz", sagte der Ehemann. Er warf die Frage auf, was wohl als nächstes zum Verkauf anstehe.
Informationen über die verspäteten oder annullierten Flüge sickerten praktisch keine durch. Die Wartenden wurden per Lautsprecher auf einen immer später zurückversetzten Zeitpunkt vertröstet. Das Personal der Swissair gab - wenn überhaupt - nur sehr vorsichtig und zurückhaltend Auskunft. "Die Entwicklung macht mir schon etwas Angst", sagte eine junge Angestellte des Bodenpersonals, die erst seit Februar für die Swissair arbeitet. So lange sie über keine genauen Informationen über die allgemeine Situation verfüge, bleibe sie jedoch optimistisch. "Hauptsache, es gibt eine nationale Airline", sagte sie.
Imageschaden für die Schweiz
"Der heute angerichtete Imageschaden für die Schweiz ist nicht absehbar", sagte ein Geschäftsmann, der einen Flug nach Sofia gebucht hatte. Er musste noch am Dienstagmittag alle vereinbarten Termine absagen. Das sei sehr unangenehm. "Aber was will man machen?", fragte er mit einem Schulterzucken und fuhr per Zug nach Bern zurück. So wie ihm ging es Unzähligen.
Am Umbuchungsschalter bildete sich eine lange Schlange. Eine Frau, die nach Brüssel fliegen wollte, wurde ausgerechnet auf die Sabena umgebucht. "Die Swissair hat überhaupt nichts mehr anzubieten", sagte sie darauf. Weniger glücklichen Passagieren wurden Flüge auf anderen Airlines mit schon fast unglaublich anmutenden Flugrouten angeboten. Allen Umtrieben zum trotz zeigten die Betroffenen aber mehr Mitleid als Wut auf die Swissair.
Swissair-Kunden sollen Lösungen angeboten werden
Die Kunden sollen nicht die Leidtragenden des Swissair-Debakels sein. Der Ombudsmann der Schweizer Reisebranche, Nicolas Oetterli, rief die verantwortlichen Stellen am Dienstag auf, für Kunden, die bezahlt haben, Lösungen anzubieten. Mit gutem Willen sollte eine Lösung möglich sein, sagte der Ombudsmann.
Bei bereits bezahlten Flugbuchungen werde grundsätzlich zwischen ausschliesslichen Flugkunden und Pauschalreisenden unterschieden. Die Pauschalreisenden seien mit den Reiseveranstaltern als Vertragspartner im Prinzip besser gestellt. Diese seien nämlich zuständig für die Suche eines Ersatzes.
Schwieriger ist die Lage für Nur-Flugkunden, wie Oetterli weiter sagte. Wieweit die Crossair Flüge übernehmen werde, müsse noch abgeklärt werden. Im schlimmsten Fall sei jedoch nicht auszuschliessen, dass die Kunden ihr Geld verlören. Der Ombudsmann rät den Betroffenen, sich in ihrem Reisebüro über die Möglichkeiten zu informieren. Sie seien an der Front und hätten die Übersicht über allfällige Alternativen.
swissinfo und Agenturen

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