Lukrative Scheinwelten
Erlebnisparks sind Massen-Tourismus in Reinkultur. Während die Schweizerinnen und Schweizer bisher meist in ausländische Anlagen pilgerten, werden nun auch einheimische Projekte realisiert.
"Erlebnisparks sind eine abgesonderte Gegen- oder Scheinwelt in der wir uns Dinge erlauben, die wir sonst nicht tun", fasst Roland Scheurer der Universität Bern das Erfolgsrezept der Erlebnisparks zusammen. Er befasst sich beim Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus intensiv mit den Auswirkungen von Freizeitparks auf die Wirtschaft der Regionen. "Lokalpolitiker schätzten besonders das Prestige, das der Standortsgemeinde zufällt", sagt Scheurer.
So kommt es, dass viele Schweizerinnen und Schweizer die Deutsche Gemeinde Rust, 100 Kilometer nördlich von Basel, kennen: Im Europapark, Eigentum der Familie Mack, tummelten sich in der letzten Saison über eine halbe Million Eidgenossinnen und Eidgenossen.
"Die Gäste aus der Schweiz machen einen Fünftel aller Besuchenden aus", sagt Martina Evers, Pressesprecherin des Europaparks. Die wegen dem Umrechnungskurs finanzstarken Schweizer werden geschätzt und gehegt: Der Tour de Suisse-Anfang, ein DJ Bobo-Konzert, das Botta-Zelt der 700-Jahre-Feier und ein echtes Wallisser Dorf sprechen die heimatlichen Gefühle an. "Am 1. August ist der Park fest in Schweizer Hand", sagt Sprecherin Evers.
Einheimische Konkurrenz
Dem Europapark soll in den nächsten Jahren einheimische Konkurrenz erwachsen: In der Schweiz werden zehn neue Projekte realisiert. Zwischen den Plänen und den ersten Eintritten liegen allerdings Hürden, auf die Freizeit-Forscher Scheurer hinweist: "Die Finanzierung ist bei vielen Projekten noch nicht gesichert." Europapark investiert nach eigenen Angaben zwischen 23 und 30 Mio. Franken jährlich in die Infrastruktur des Parks, die Gesamtinvestitionen über die letzten 25 Jahre schätzt Evers auf über 500 Mio. Franken.
"Staunen lernen"
Der Mysterypark ist eines der neuen Projekte, das sich über die Schweiz hinaus etablieren will. Laut Angaben des Marketing-Leiters Leonhard Sprecher wird der Park bei Interlaken insgesamt 86 Mio. Franken kosten. Das Unternehmen, angeregt und präsidiert vom Zukunfts-Forscher Erich von Däniken, will, dass die Besuchenden das Staunen wieder lernen, wie es Sprecher ausdrückt. "Viele von uns haben gar nie die Möglichkeit die Pyramiden in Mexiko, Indien, Peru, geschweige denn unser Universum persönlich kennen zu lernen." Im Mysterypark wird das bei jedem Wetter möglich sein, für voraussichtlich 45 Franken pro Erwachsene.
"Der Park-Markt ist ein Massenmarkt", meint Uni-Mann Scheurer. "Die Preise müssen auch für eine ganze Familie erschwinglich sein." Das bestätigt auch Europapark-Sprecherin Evers. "Bei uns ist ausserdem das Essen günstig, das ist ein zusätzliches Familien-Plus." Viele Schweizer Familien würden zusätzlich eine Nacht in einem angegliederten Hotel verbringen. Der typische Kurzurlaub, so Evers. Dass Park-Besuche im Trend liegen, sagt auch Freizeit-Forscher Scheurer: "In den letzten zehn Jahren haben alle Parks Besucherzahlen und Umsätze massiv erhöht."
Allerdings habe sich auch die Grenze zwischen den verschiedenen Angeboten in den letzten Jahren verwischt. Oft lasse sich der Freizeitpark, das Multiplexkino das Erlebnisbad oder die Freizeit-Grossanlage nicht klar voneinander abgrenzen. "Normalerweise bietet ein Park eine Kombination verschiedener Attraktionen, Bahnen und Rutschen. Diese werden durch ein Unterhaltungs-Programm und thematisch passendes Essen ergänzt. Weiter wird im Merchandising das Park-Maskottchen in allen Versionen verkauft", sagt Scheurer.
Edutainment: Lernen mit Spass
Eine grundsätzliche Unterscheidung im Angebot lässt sich zwischen den Bereichen Fun und Edutainment machen. Der Aquapark bei le Bouvret im Wallis setzt klar auf Spass und Erlebnis: sechs Wasserrutschen durch einen künstlichen Dschungel, einer Kinderwelt mit Piratenschiffen und Wasserkanonen und einem Wellness-Bereich für die Eltern sollen ganze Familien begeistern. Auf dasselbe Konzept setzen das Alpamare bei Pfäffikon (SZ) oder der Säntispark in Abtwil.
Der grösste Schweizer Park, das Connyland in Lipperswil, setzt hingegen neben der Delfinshow auf einen gigantischen Disco-Club, der auch ältere Konsumierende anziehen soll. Der Mysterypark setzt allein auf die sanfte Wissensvermittlung, aber auch der Europapark diversifiziert: Diese Saison sind mehrere Science-Days geplant.
Egal worauf die Verantwortlichen setzen, etwas gilt für alle: "Die Leute wollen in immer kürzerer Zeit immer mehr erleben und vor allem erforschen", sagt Mysterypark-Mann Sprecher.
Nullsummenspiel für den Standort
Jeder Park schafft Arbeitsplätze für die Region. Im Europapark beispielsweise arbeiten während der Hochsaison bis zu 2'100 Personen. Davon sind allerdings nur 350 Vollzeitstellen. Auch bei den andern Pärken sieht es ähnlich aus. Scheurer gibt weiter zu bedenken: "Es sind nur wenige Jobs zu haben, die länger als eine Saison gemacht werden, meist in Berufen, die wenig Wertschöpfung erzielen."
Auch mit den Emissionen muss die Gemeinde fertig werden: So vertraut die Mehrheit der Besuchenden auf ihr Auto um hinzukommen, nur jeder Fünfte kommt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, hat Scheurer herausgefunden.
Philippe Kropf

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