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Das etwas andere Frauen-Stimmrecht

Im Schatten des Fürsten: Das Landtagsgebäude des Fürstentums Liechtenstein in Vaduz. Keystone / Gian Ehrenzeller

Die späte Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz vor einem halben Jahrhundert hatte direkte Folgen auf einen Nachbarstaat: Liechtenstein. Dabei tut sich das kleine EWR-Mitgliedsland mit der modernen Demokratie bis heute nicht leicht.

Dieser Inhalt wurde am 08. März 2021 publiziert
Bruno Kaufmann

Es herrscht Aufregung im Kleinstaat am Hochrhein. Genau wie vor fünfzig Jahren. Damals hatte das deutliche Ja der Schweizer Männer zum Frauenstimmrecht zur Folge, dass noch im gleichen Februar 1971 auch die Liechtensteiner erstmals darüber befinden konnten – aber die entsprechende Verfassungsänderung ganz knapp ablehnten.

"Im Anschluss daran gingen wir Frauen erstmals auf die Strasse", sagt Helen Marxer, eine der Vorkämpferinnen der Gleichberechtigung im Fürstentum.

Fünf Jahrzehnte später waren die liechtensteinischen Männer und Frauen – das Frauenstimmrecht wurde schliesslich 1984 im dritten Anlauf doch noch gutgeheissen – vor einem Monat erneut zu den Urnen gerufen: Erstmals kandidierte dabei eine Frau für das Amt der Regierungschefin: Sabine Monauni, die Vorsitzende der Freiheitlichen Bürgerpartei, die zuvor als Botschafterin ihres Landes bei der Europäischen Union in Brüssel gewirkt hatte.

Sie holte zwar am meisten Wählerstimmen. Doch weil die Wahlzettel verschiedener Landesteile bei der Auszählung unterschiedlich gewichtet werdenExterner Link, reklamierte die andere grosse Partei des Landes, die Vaterländische Union, mehr Parteistimmen und das Amt des Regierungschefs für sich.

Dass es in Liechtenstein noch länger dauerte mit der Einführung des Frauenstimmrechts als in der – im internationalen Vergleich schon sehr späten – Schweiz, ist kein Zufall: "Uns fehlen die fortschrittlichen Städte und die welschen Kantone", sagt Helen Marxer, die 1981 als 35-Jährige zu den Mitbegründerinnen der "Aktion Dornröschen" gehörte: Mit dieser Organisation küssten sich die Liechtensteinerinnen am Ende selbst wach.

Denn mit der handfesten Unterstützung eines Prinzen können die Liechtensteinerinnen bis heute nicht rechnen. Im Gegenteil: Als Antwort auf die Einführung des Frauenstimmrechts liess das Fürstenhaus zehn Jahre später ein Hausgesetz verabschieden, das eine weibliche Mitsprache oder Thronfolge ausschliesst. Kommt hinzu, dass der Fürst gegen alle Beschlüsse – auch solche, die vom Volk in Abstimmungen beschlossen worden sind – sein Veto einlegen kann.

"Diese Machtbefugnisse eines Erbmonarchen vertragen sich nicht sehr gut mit modernen politischen und bürgerlichen Rechten", sagt der (mit der "Dornröschen"-Mitbegründerin nicht verwandte) Politologe Wilfried Marxer.

Vor einigen Jahren kam es deswegen im Vorfeld einer durch den Fürsten selbst initiierten Volksabstimmung über die Stärkung seiner Rechte zu einer weltweit beachteten Kontroverse mit dem Europarat. Diesem war Liechtenstein 1978 als Mitglied beigetreten, 1995 folgte der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR.

In internationalen Demokratievergleichen wurde das Fürstentum zuletzt zurückgestuft: Laut dem US-amerikanischen Thinktank "Freedom House", dessen jüngster JahresberichtExterner Link am 3. März veröffentlicht worden ist, hat Liechtenstein unter den EU/EWR-Staaten in den letzten zehn Jahren neben Ungarn am meisten Demokratiepunkte eingebüsst – und liegt heute bei 90 von 100 möglichen. Zum Vergleich: Die Schweiz wird von "Freedom House" mit 96/100 bewertet.

So blieb der Einfluss der Schweiz auf die Gleichberechtigungs-Fragen in Liechtenstein – von der Initialzündung vor einem halben Jahrhundert abgesehen – bis heute bescheiden. Auch wenn das Thema Frauenstimmrecht vor einem halben Jahrhundert zwar durch das Ja der Schweizer auf die politische Tagesordnung der katholisch-konservativen Monarchie kam, blieb der Einfluss des westlichen Nachbarn bei der weiteren Umsetzung der Gleichberechtigung bescheiden.

So dürfte bei der ersten Sitzung des neuen Parlaments am 25. März nun doch wieder ein männlicher Bewerber, Daniel Risch von der Vaterländischen Union, zum Regierungschef bestimmt werden.

Einen Impuls aus der Schweiz erhofft sich hingegen die Frauenrechtlerin Helen Marxer von einer Eidgenössischen Volksinitiative zur Einführung der "Individualbesteuerung"Externer Link, die am Internationalen Frauentag mit der Unterschriftensammlung beginnt: "Auch hier hinken wir bei der Gleichberechtigung immer noch nach."

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