Lausanner Solarzelle weckt grosse Hoffnungen
Eine an der ETH Lausanne entwickelte neue Solarzelle soll bei gleicher Leistungsfähigkeit bis 80% weniger kosten als herkömmliche Siliziumzellen.
Experten dämpfen aber die Erwartungen auf eine rasche Marktreife der so genannten nanokristallinen Farbstoff-Solarzelle.
Die Sommer-Sonne sengt und lacht. Grund zum Lachen hat auch ein Forscher-Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) um Chemie-Professor Michael Grätzel. Im Mai meldete dieser im Fachjournal "Nature Materials", dass die nanokristalline Farbstoff-Solarzelle nach zwölfjähriger Erprobung auch die Labortests punkto Hitzebeständigkeit erfolgreich bestanden habe.
Grosses Potential
Die Neuentwicklung basiert auf dem Prinzip der Photosynthese der Pflanzen und soll der Solartechnologie zu einem neuen Schub verhelfen.
Ein Forscher eines US-Unternehmens stellte der Lausanner Entwicklung ein grosses Potential in Aussicht. In der Zeitschrift "Nature" ging er von einem Kostenvorteil von bis zu 80% gegenüber der Siliziumzelle aus, falls sich die neue Technologie als robust und zuverlässig erweise.
Einsatz nicht vor fünf Jahren
Bis dahin sei es noch ein längeres Stück des Weges, so die etwas nüchternere Einschätzung von Solarenergie-Experten in der Schweiz. Stephan Nowak, Programmleiter Photovoltaik im Bundesamt für Energie, wertet die erfolgreichen Testergebnisse der Farbstoff-Solarzelle zwar als "Meilenstein". Von einem Durchbruch oder gar einer Revolution der Solarenergie-Gewinnung mag er aber nicht reden.
"Dazu muss sich eine neue Technologie erst auf dem Markt durchsetzen, was erfahrungsgemäss sehr lange dauert", so Nowak. Dies wird im besten Fall in 5 Jahren der Fall sein, schätzt er.
Ein Sparpotential von 80% gegenüber der Halbleiter-Technik will Nowak nicht ausschliessen. Das bedinge aber die Lösung aller technischer Probleme der Herstellung.
"Es wäre aber falsch zu glauben, dass sich dadurch auch der Preis für Solarstrom um vier Fünftel senke", warnt Nowak. Denn die Kosten der Solarzellen würden höchstens 50% einer gesamten Solarenergie-Anlage ausmachen.
Knacknuss Langzeitbeständigkeit
Urs Wolfer, Bereichsleiter "aktive Sonnenenergie" im Bundesamt für Energie ortet das Hauptproblem für die Umsetzung in der Praxis konkret bei der Langzeitbeständigkeit der neuen Solarzelle.
Weiter seien auch die ablaufenden physikalischen und elektrochemischen Prozesse nicht einfach in den Griff zu bekommen. "Die Idee der Farbstoff-Solarzelle ist bestechend, wenn auch schon sehr alt", so Wolfer.
Tamas Sacsvay, Entwicklungsleiter bei Swiss Sustainable Systems, einem Anbieter für Photovoltaik-Anlagen mit Sitz in Bern, wertet die Lausanner Solarzelle als ein "tolles Produkt". Dieses eröffne neue Möglichkeiten, beispielsweise für grossflächigere Solaranlagen, wo der Preis der Solarzellen mehr zu Tragen komme.
Wunder von der Lausanner Entwicklung erwartet aber auch Sacsvay keine. "Sie ist eine Erweiterung der Palette der Solarstrom-Erzeuger, vorderhand aber noch kein Ersatz für die herkömmlichen Solarzellen."
Denn ein noch grösseres Entwicklungspotential besteht für Sacsvay sowohl bei den heute bereits am Markt erhältlichen Solarzellen als auch bei den Gesamtanlagen. "Die Solarindustrie ist noch eine junge Branche", lautet seine Begründung.
Schweizerischer Nationalfonds optimistisch
Äusserst zuversichtlich nach den erfolgreichen Labortests bewertet der Nationalfonds die Chancen der Farbstoff-Solarzellen: "Sie wird damit zur ernsthaften Konkurrenz für die traditionellen Solarzellen", heisst es von Seiten des Fonds, der die Lausanner Forscher bei der Entwicklung unterstützt.
swissinfo, Renat Künzi
Fakten
Der Bund hat seine Förderung der Solarenergie eingestellt.
Ausnahme sind Beiträge für Pilot- oder Demonstrationsprojekte.
Der Anteil Solarstrom an der gesamten Strompoduktion ist verschwindend gering.
Einige Kantone fördern die Solarenergie.
Einige Stromproduzenten bieten Solarstrom im Abonnement an.
In Kürze
Die Farbstoff-Zellen sollen viel billiger werden als herkömmliche Solarzellen.
Dies weil die Reinheit der Stoffe nicht so hoch wie beim Silizium sein muss.
Die Umsetzung der Laborresultate in die Praxis ist technisch schwierig.
Experten rechnen frühestens in 5 Jahren mit dem Einsatz der Farbstoff-Solarzelle.

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