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Kritische Reaktionen auf Beendigung des Fluglärm-Streits

Der Flughafen Zürich-Kloten erregt einmal mehr die Gemüter. Keystone

Das Nachgeben der Schweiz im Flughafen-Streit wird in der Schweizer Presse mehrheitlich kritisch kommentiert. Der Schutzverband der Flughafen-Anrainergemeinden fordert die generelle Beschränkung der Flugbewegungen. Der Züricher Regierungsrat plädiert für eine solidarische Lösung des Lärmproblems.

Dieser Inhalt wurde am 24. April 2001 publiziert

Das Ergebnis der Fluglärm-Verhandlungen zwischen Verkehrsminister Leuenberger und seinem deutschen Amtskollegen Bodewig vom Montag (23.4.) hat in der Schweiz zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Die FDP kritisiert, dass Leuenberger "den Ernst der Lage offensichtlich unterschätzt und den Verhandlungen mit Deutschland zu spät die notwendige Priorität eingeräumt" habe. Die gemachten Konzessionen würden einseitig und diskriminierend die Schweiz betreffen. Im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche mit dem Bundesrat am 18. Mai sollen deshalb rechtliche Schritte geprüft werden.

Ergebnis ungenügend

SVP-Präsident Ueli Maurer reagierte noch heftiger. Nachdem Leuenberger in den Verhandlungen mit der EU schon den Gotthard verscherbelt habe, habe er sich nun von Deutschland über den Tisch ziehen lassen und auf der ganzen Linie nachgegeben.

Einhellige Kritik der Kommentatoren in der Schweizer Presse

Einhellig negativ fällt das Urteil der Kommentatoren in den Schweizer Zeitungen vom Dienstag (24.04.) aus: Das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bundespräsident Leuenberger und dem deutschen Minister Bodewig wird durchwegs als Schlappe für die Schweiz beziehungsweise als Sieg für Deutschland gewertet. Mehrere Blätter wie etwa der Tages-Anzeiger kritisieren, die Schweiz habe das Problem zu lange nicht Ernst genommen. Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnet die Anliegen, mit welchen sich Deutschland nun durchgesetzt hat, als "völkerrechtlich bedenkliche Maximalforderungen", denen die Schweiz entschlossener hätte entgegen treten müssen.

Schwere Vorwürfe erhebt der Kommentator der Aargauer Zeitung: Die Schweizer Verhandlungsdelegation habe das nötige Herzblut vermissen lassen und damit "bewusst, fahrlässig oder gleichgültig" in Kauf genommen, dass die nun vermehrt betroffenen Regionen der Schweiz, zu denen auch der Aargau gehört, nun bluten müssten.

Flughafen-Schutzverband fordert generelle Flug-Beschränkung

Auch der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich - die Interessensvertretung der lärmgeplagten Anrainer-Gemeinden um den Flughafen Zürich-Kloten - mag sich ob des ausgehandelten Kompromisses wenig erfreuen. Wie Verbands-Präsident Peter Staub gegenüber Schweizer Radio DRS bekannt gab, fordern die Flughafengemeinden in Anbetracht der zu erwartenden Zunahme von Starts und Landungen eine generelle Beschränkung der Flugbewegungen.

Kritik von Unique Zurich Airport

Enttäuscht über das Abkommen ist Unique Zurich Airport. Firmensprecher Lukas Hässig betonte gegenüber der Aargauer Zeitung, dass die ausgehandelten Regelungen den Flughafen-Betreiber zu stark einschränkten. Besonders nachteilig sei die Behinderung beim Wachstum des Flughafens. Positiv aufgenommen wurde laut einem Unique-Sprecher, dass eine relativ lange Übergangsfrist ausgehandelt worden sei. In dieser Zeit könne ein tragfähiges Konzept ausgearbeitet werden.

Regierungsräte fordern solidarische Lösung

Verständnis für die Position der Flughafengemeinden markierte der Zürcher Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor Rudolf Jeker. Gegenüber Schweizer Radio DRS machte er jedoch darauf aufmerksam, dass aus seiner Sicht wegen des in der Bundes-Gesetzgebung verankerten Zulassungszwangs wenig politischer Handlungsspielraum bestehe. Laut Jeker geht es jetzt darum, eine faire und ausgewogene Verteilung in der Pistenbenützung zu suchen.

Diese Forderung erhebt auch der Aargauer Regierungsrat Peter Beyeler in einem Interview mit der Aargauer Zeitung. Da die Einigung mit Deutschland zwingend zu mehr Flugbewegungen innerhalb der Schweizer Grenzen führe, müsse die Lärmbelastung gleichmässiger auf andere Regionen verteilt und damit eine solidarische Lösung gesucht werden.

Widerstand an der Goldküste

Gar nicht glücklich über das Abkommen sind die südlich von Zürich am rechten Seeufer gelegenen Gemeinden, zu denen die so genannte Goldküste zählt. Das Resultat sei enttäuschend und für die Region ungünstig, überrasche bei realpolitischer Betrachtung allerdings wenig, erklärte Ursula Gut, Sprecherin der Gemeindepräsidenten des Bezirks Meilen, gegenüber swissinfo. Eine solidarische Lösung im Sinne einer gleichmässigen Verteilung der Belastung komme hingegen nicht in Frage, würden doch dafür nur schon die rechtlichen Voraussetzungen fehlen. Man sei sich aber bewusst, dass wohl oder übel ein gewisses Mass an Belastung in Kauf genommen werden müsse. Laut Gut geht es nun aber zunächst einmal darum, die entsprechenden Diskussionen zu führen.

Besänftigung von Seiten des Bundesamtes für Zivil-Luftfahrt

Für André Auer, Direktor des Bundesamtes für Zivil-Luftfahrt, stellt die erzielte Einigung einen Kompromiss dar, mit dem er leben könne. In einem Interview mit dem Tages-Anzeiger betont Auer, dass beide Seiten Haare lassen mussten. Nach dem Ministertreffen stehe jedoch fest, dass der Süden des Flughafens für Überflüge nicht mehr tabu sei, und es dort Flugverkehr geben werde. Bevor jedoch klar sei, aus welcher Richtung und zu welchen Zeiten der Flughafen Zürich in Zukunft angeflogen werde, müsse zuerst der Staatsvertrag fertig ausgehandelt und anschliessend das neue Flughafen-Betriebsreglement erstellt werden.

Unzufriedenheit in den süddeutschen Gemeinden

Auf wenig Begeisterung stösst die Vereinbarung zwischen der Schweiz und Deutschland auch in den vom Fluglärm geplagten Gemeinden in Süddeutschland. Martin Benz, Bürgermeister der Grenzgemeinde Hohentengen, vertrat gegenüber der Deutschen Presse-Agentur die Auffassung, die Bürgerinnen und Bürger Hohentengens und Klettgaus würden die Eckwerte des Staatsvertrags nie akzeptieren. Die Gemeinden erwögen deshalb einen Prozess gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Felix Münger und Agenturen

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