Kritik an "unbeweglicher" Regierung
Fast alle Kommentatoren in den Schweizer Zeitungen sind sich einig: Der Entscheid für keine Reform der Departemente des Bundes ist nicht gerade ein guter Leistungsausweis für die Arbeit der Landesregierung.
Von "peinlicher Rückzieher" über "Bundesrätlicher Leerlauf" bis "bitte nicht stören" teilt die Schweizer Presse am Donnerstag mit dem Zweihänder Kritik am bundesrätlichen Entscheid aus.
"Ein klägliches Resultat", titelt der "Tages-Anzeiger" seinen Kommentar. Es lohne sich zwar nicht immer, funktionierende Strukturen auseinanderzureissen. "Allerdings verhindert die aktuelle Zusammensetzung der Departemente die optimale Organisation der Bundesverwaltung, das heisst rasche Abläufe und geringe Kosten."
Vielmehr bestünden viele Doppelspurigkeiten, wie in der Bildung und Forschung sowie der Entwicklungshilfe, wo sich jeweils zwei Departemente mit dem gleichen Inhalt befassten: "Das ist hochgradig ineffizient."
Reformbedarf sei also mehr als angebracht, findet der "Tagi". Und er kommt zum Schluss: "Der Bundesrat, der sonst gerne laut über Reformen nachdenkt, hat es - kläglich und mutlos - verpasst, in eigener Sache zeitgemässe Verhältnisse zu schaffen."
In Ruhe lassen
In die gleiche Kerbe haut die Berner Tageszeitung "Der Bund": "Bitte nicht stören", titelt er seinen Kommentar. "Die Art, wie der Bundesrat den Übungsabbruch vermeldet, ist vielsagend: mit einem dürren Communiqué."
Kein Mitglied der Landesregierung sei hingestanden, um den Entscheid zu begründen. "Mit seinem Schweigen gibt der Bundesrat zu, dass sein Nichtstun auch profane Gründe hat: Da geht es um die eitle Sorge einzelner Bundesräte ums eigene Prestige und den politischen Nachruf."
Zwar sei es kein Drama, wenn jetzt alles beim Alten bleibe, trotzdem entstehe ein mulmiges Gefühl: "Man hat den Eindruck, die Reformabsage könnte symptomatisch sein, quasi ein Zeichen für einen Rückfall in alte Zeiten, als die Bundesräte einander nicht dreinredeten, nur ans eigene Gärtchen dachten und so ihre Gesamtverantwortung vernachlässigten."
Aufs Scheitern ausgelegt?
Für die "Aargauer Zeitung" ist von der "vollmundig aufgegleisten" Neugliederung der Departemente nicht einmal mehr eine Maus übriggeblieben. "Man könnte den Spruch vom Berg bemühen, der eine Maus gebar - wenn er denn wenigstens dies getan hätte."
Störend sei daran nicht einmal das Ergebnis. Zwar hätten Schnittmengen beseitigt werden können, doch die grosse Schneise hätte die Reform nicht gebracht. "Nein, störend ist vielmehr die Art, wie der Entscheid zustande kam."
Fast könnte der Eindruck entstehen, "dass die ganze Übung von Anfang an auf dieses Scheitern angelegt war". Statt kleiner Reformschritte habe der Bundesrat gleich eine "tabulose" Generalüberprüfung gewollt, "vor der er jetzt umso einfacher kapitulieren kann".
Das sei "peinlich, unehrlich und auch ziemlich dreist". Schliesslich habe sich das Parlament "mehrfach und unzweideutig" für Reformen ausgesprochen.
Kompetenz entziehen?
"Es kommt nicht von ungefähr, dass das Parlament in ungewöhnlicher Einigkeit und mit Nachdruck eine solche Zusammenlegung gefordert hatte", konstatiert die "Berner Zeitung". Kaum ein anderes Land verteile die Bildung auf verschiedene Ministerien.
Der Grund für den Nicht-Entscheid ortet die "BZ" im "Machtanspruch einzelner Bundesräte". Und sie kommt zum Schluss: "Falls tatsächlich solche Eitelkeiten weitgehend unbestrittene Optimierungen verhindern, dann sollte das Parlament ernsthaft Konsequenzen erwägen."
Eine Möglichkeit sieht der Kommentator darin, "mit einer Gesetzesänderung dem Bundesrat die Kompetenz zur Verteilung der Aufgaben zu entziehen".
Fehlender Wille
"Welche Verschwendung", kommentiert schliesslich der Westschweizer "Le Temps". "Indem er den Bettel hinschmeisst, beweist der Bundesrat seine Unfähigkeit, sich an die Welt um ihn herum anzupassen."
Dies hätten Landesregierungen früherer Zeiten besser beherrscht, zum Beispiel mit der Schaffung eines Infrastruktur-Departements. "Heute fehlt der Regierung der Wille zu einer solchen Änderung."
Rufer in der Wüste
Nur eine Zeitung wagt den Schritt in die Opposition im Dschungel der Meinungsmacher: die "Basler Zeitung": "Nichts ist diesmal mehr", betitelt sie ihren Kommentar. Der Bundesrat habe am Mittwoch mit dem Verzicht Mut bewiesen.
"Entscheidend sind kluge und tatkräftige Chefs der Departemente und der Bundesämter: Sind sie da, spielen die Strukturen der Verwaltung eine untergeordnete Rolle. Fehlen sie, nützt auch alles Reorganisieren nichts."
swissinfo, Christian Raaflaub
Entscheid und Reaktionen
Keine Zusammenlegung von Bildung und Forschung, kein Sicherheitsdepartement: Gegen den Willen des Parlaments hat der Bundesrat am Mittwoch auf eine Neugliederung der Departemente verzichtet, weil er sich davon "keinen entscheidenden Mehrwert" verspricht.
Mit diesem Verzicht setzte sich der Bundesrat über den Willen des Parlaments hinweg.
Die in der Regierung vertretenen Parteien zeigten sich denn auch enttäuscht vom Entscheid, alles beim alten zu belassen. Sie fühlen sich von der Regierung übergangen.

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