KREDITRATING/S&P stuft Italiens Kreditwürdigkeit herab (AF)
LONDON/ROM/FRANKFURT/ATHEN (awp international) - Tiefschlag für Italien mitten in der Schuldenkrise: Die Rating-Agentur Standard & Poor's hat die Kreditwürdigkeit des Landes von "A+" auf "A" herabgestuft. Und es könnte weiter runter gehen: Der Ausblick sei "negativ", teilte S&P am späten Montagabend in London mit. "Die Herabstufung spiegelt unsere Meinung nach die schlechter werdenden Wachstumsaussichten für Italiens Wirtschaft wider", begründete S&P den Schritt. Die zuletzt verabschiedeten Reformen reichten nicht aus, um gegenzusteuern. Der Regierung bescheinigte S&P eine mangelnde Handlungsfähigkeit.
Wegen der Herabstufung drohen Italien nun höhere Zinsen bei der Aufnahme neuer Kredite. Denn je schlechter die Kreditwürdigkeit, desto grösser erscheint das Risiko, dass der Gläubiger sein Geld nicht wiedersieht. Dieses Risiko lässt sich der Geldgeber durch höhere Zinsen bezahlen.
AKTIEN UND EURO FALLEN
Am Aktienmarkt sorgte die Nachricht für weitere Verluste. Der Dax baute seine Verluste vom Montag in den ersten Handelsminuten aus. Die Abstufung sei eine weitere negative Nachricht zum ohnehin von schlechten Nachrichten gebeutelten Europa, sagte Analyst Ben Potter von IG Markets. Händler sprachen von einer Überraschung, da das Rating von S&P ohnehin schon unter dem vom Konkurrenten Moody's gelegen habe.
Als Reaktion auf die Abstufung Italiens rutschte der Euro am Dienstag deutlich ab. Zeitweise kostete er weniger als 1,36 Dollar. Zuletzt notierte die europäische Gemeinschaftswährung wieder etwas über dieser Marke.
Erst am Freitag hatte auch die Ratingagentur Moody's damit gedroht, Italien trotz der zuletzt verabschiedeten Sparpakete herabzustufen. Moody's bewertet Italien in seinem eigenen Rating-System mit "Aa2" - und damit merklich besser als S&P. Hier fällt voraussichtlich im nächsten Monat die Entscheidung.
IMMENSE SCHULDEN - HOHE ZINSEN - NIEDRIGES WACHSTUM
Italien hat nach Griechenland den zweithöchsten Schuldenstand in der Eurozone. Um dem entgegenzuwirken, hatte das Land zuletzt zwei Sparpakete im Volumen von mehr als 100 Milliarden Euro verabschiedet. Ohnehin wird das Schuldenmachen für Italien immer teurer: Das Land hatte sich in der vergangenen Woche am Kapitalmarkt nur zu höheren Zinsen als zuvor refinanzieren können. Bei einer Versteigerung von Anleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren war die Rendite deutlich gestiegen - auf inzwischen 5,6 Prozent.
Italien leidet auch unter einem niedrigen Wirtschaftswachstum. Die OECD hatte in ihren jüngsten Prognose für das laufende Jahr Stagnation erwartet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) senkte seine Erwartungen für 2012 von 0,7 auf 0,5 Prozent.
IN GRIECHENLAND SOLLEN GESPRÄCHE MIT TROIKA FORTGESETZT WERDEN
Unterdessen kämpft die Regierung in Griechenland angesichts der drohenden Staatspleite mit aller Macht um die dringend benötigten Milliarden aus dem Hilfsprogramm von EU und vom IWF. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos zeigte sich am Montag zu harten Einschnitten bereit. Dazu gehört nach seinen Worten auch die Schliessung von unrentablen Unternehmen, die von staatlichen Subventionen abhängen - bis zum Jahresende.
Am Abend hatte Venizelos telefonisch mit der "Troika" aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) verhandelt. Er will die Missionschefs bewegen, ihre Arbeiten in Athen wieder aufzunehmen. Nach dem überraschend schnellen Ende der Telefonkonferenz bewertete sein Ministerium die Gespräche als "substanziell und produktiv". Ein Sprecher des Athener Aussenministeriums sagte der Nachrichtenagentur dpa am späten Montagabend: "Die Gespräche sind gut gelaufen. Wir sind zufrieden und zuversichtlich, dass sie gut abgeschlossen werden".
Nach Angaben des Ministeriums und der EU-Kommission sollen die Gespräche am Dienstagabend fortgesetzt werden. Weitere Details wurden zunächst nicht bekannt. Ein positiver Bericht der Troika über die Athener Budgetsanierung ist Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro aus dem alten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro. Fliessen die Milliarden nicht, droht Griechenland nach offiziellen Angaben in Athen im Oktober die Zahlungsunfähigkeit./das/hoe/DP/zb