Jubiläumsfeier für den Retter des Seelandes
Am 23. Oktober jährt sich der Geburtstag von Johann Rudolf Schneider zum 200. Mal. Er war die treibende Kraft hinter der Ersten Juragewässer-Korrektion.
Diese Landnutzungsänderung hat das Klima im Seeland bis heute beeinflusst. Nidau ehrt ihn mit einer Feier und einer Sonderausstellung.
Die Erste Juragewässer-Korrektion im 18. Jahrhundert war ein gigantisches Ingenieurprojekt. Der Seeländer Arzt und Politiker Johann Rudolf Schneider (1804-1880) hatte sich jahrzehntelang für dieses Projekt eingesetzt und wurde als "Retter des Seelandes" bekannt.
Bis heute beinflusst der Eingriff von damals das Klima im Seeland, das seither als Gemüsegürtel der Schweiz gilt.
Heute undenkbar
Ein Vorhaben wie die Juragewässer-Korrektion wäre in der Schweiz heute nicht mehr denkbar: Moore, Sümpfe, Auenlandschaften, rund 400 Quadratkilometer zusammenhängende Feuchtgebiete, wurden zu Kulturland umgestaltet und seither intensiv landwirtschaftlich genutzt.
Die Aare wurde von Aarberg direkt in den Bielersee umgeleitet, der Abfluss aus dem Bielersee vergrössert, Murten-, Neuenburger- und Bielersee mit Kanälen verbunden.
Selber betroffen
Treibende Kraft hinter diesem Vorhaben war Johann Rudolf Schneider, der vor 200 Jahren, am 23. Oktober 1804, im Seeländer Dorf Meienried geboren wurde. Dort musste er in seiner Jugendzeit mehrmals erleben, wie die Aare sein Elternhaus überflutete. Fast jährlich überschwemmte der Fluss Felder und Äcker und brachte Krankheit und Armut mit sich.
Arzt aus Berufung
"Er studierte Medizin, weil er der verarmten Seeländer Bevölkerung helfen wollte", schreibt Rudolf Käser im "Seebutz", dem Heimatbuch des Seelandes und Murtenbietes, dessen neueste Ausgabe der Juragewässer-Korrektion und ihrem Promotor gewidmet ist.
Der Arzt und spätere Nobelpreisträger Theodor Kocher betonte im Nachruf auf seinen Kollegen: "Es wusste jeder, dass wenn ein armer Teufel gar nirgends untergebracht werden konnte, so war noch Papa Schneider da."
Malaria in der Schweiz
Doch Schneider setzte sich nicht nur als Arzt für die Armen ein, sondern kämpfte auch als Politiker gegen Armut, Trunksucht und hohe Abgaben und unterstützte gar illegale Flüchtlinge.
Sein Kampf für die Entsumpfung des Seelandes dauerte zwar jahrzehntelang, war aber von Erfolg gekrönt. Schneider galt als "Retter in der Not", Retter vor Überschwemmungen, hoher Sterblichkeit und nicht zuletzt vor der immer wieder auftretenden Malaria.
Feier zum Jubiläum
Das Städtchen Nidau bei Biel ehrt Johann Rudolf Schneider am 23. Oktober mit einer Gedenkfeier in Anwesenheit von Bundesrat Samuel Schmid und der Berner Regierungsrats-Präsidentin Barbara Egger.
Es gäbe Ausnahme-Erscheinungen, an die mit Fug und Recht erinnert werden dürfe, so Bundesrat Schmid: "Johann Rudolf Schneider war eine dieser Ausnahme-Erscheinungen."
Sonderausstellung im Schloss
Das Schlossmuseum Nidau widmet dem Pionier zudem eine Sonderausstellung. Das Museum wird am 23. Oktober im Rahmen der Gedenkfeier eröffnet und thematisiert in einer Dauerausstellung die Juragewässer-Korrektion.
Sie zeigt vor allem Texte und Fotos, die das Bauvorhaben dokumentieren. Die Dokumente sind deutsch und französisch untertitelt. Daneben sind Statements von Politikern, Wissenschaftern und Anwohnern zu hören.
Virtuell abheben
In die Ausstellung integriert ist auch eine Art Zeit-Flugmaschine, die als Diplomarbeit an der Bieler Hochschule für Technik entwickelt worden ist. Mit einer dreidimensionalen Computersimulation kann man das Seeland überfliegen, von Solothurn bis zum Neuenburgersee, von Lyss bis zum Jura, und sieht dabei, welche Flächen jeweils von Wasser bedeckt waren.
Drei Zeitebenen
Die Besucher können auf diesem virtuellen "Überflug" das Seeland zu drei verschiedenen Zeitpunkten aus der Vogelschau erleben: Diese datieren vor und nach der Juragewässer-Korrektion, oder besser, -Korrektionen, denn es waren deren zwei nötig.
Johann Rudolf Schneider konnte noch selber erleben, wie die Aare 1878 erstmals durch den Hagneck-Kanal in den Bielersee floss. Doch es kam wieder zu Überschwemmungen, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhundert eine zweite Korrektion nötig machten.
Kühlere Tage,...
Die Juragewässer-Korrektionen haben das Klima im Seeland in unerwarteter Weise beeinflusst. Laut Modellrechnungen von Berner Klimatologen führen sie im Sommer zu durchschnittlich 0,3 Grad kühleren Tagen. "Hätte man uns vorher gefragt, so hätten wir wohl geantwortet, dass es wärmer geworden sein müsse."
Der Hauptgrund: Die Vegetation ist heller geworden. Deshalb wird mehr Sonnenlicht reflektiert. "Das heisst nicht, dass es im Seeland wirklich kühler ist, denn dieser lokale Effekt könnte durch die globale Klimaerwärmung ausgeglichen worden sein."
..., wärmere Nächte
Durch die Entwässerung haben sich auch die Bodeneigenschaften verändert. Die trockeneren Böden leiten tagsüber mehr Wärme in tiefere Bodenschichten.
In der Nacht kehrt sich dieser Prozess um. Die in tieferen Schichten gespeicherte Wärme steigt wieder Richtung Oberfläche. Die nächtlichen Temperaturen sind daher heute im Sommer wärmer, ebenfalls um durchschnittlich 0,3 Grad.
Klimawandel vor der Haustüre
"Die Auswirkungen der Juragewässer-Korrektionen auf das Klima sind noch in 40 Kilometern Entfernung spürbar.", sagt Nicolas Schneider von der Universität Bern. Die Luftmassen aus dem Seeland, die meist zu den Alpen verfrachtet werden, sind trockener geworden. Die Luftmassen müssen also in den Voralpen höher steigen, bis sie schliesslich ausregnen.
"Klimaveränderungen spielen sich nicht nur auf globaler Ebene ab, sondern auch vor der eigenen Haustüre", so Schneider.
swissinfo, Antoinette Schwab
Fakten
Am 23. Oktober 2004 jährt sich der Geburtstag von Johann Rudolf Schneider zum 200. Mal.
Der Seeländer Arzt gilt als treibende Kraft hinter der Juragewässer-Korrektion.
Nidau ehrt den "Retter des Seelandes" mit einer Feier und einer Ausstellung.
In Kürze
Johann Rudolf Schneider erlebte selber, wie die Aare fast jährlich Felder und Häuser überschwemmte.
Er stritt jahrzehntelang für die Entsumpfung des Seelandes.
Die Erste Juragewässer-Korrektion war ein gigantisches Ingenieurprojekt.
Berner Geographen haben jetzt untersucht, wie dieser Eingriff das lokale Klima beeinfluss hat.

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