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Im Zentrum der Kernfusion

Professor Ming-Quan Tran - Europas "Mr. Kernfusion" swissinfo.ch

Ein Professor der Technischen Hochschule Lausanne (ETHL) übernimmt die Leitung der europäischen Kernfusions-Forschung.

Dieser Inhalt wurde am 18. August 2003 - 09:00 publiziert

Ziel ist es, rasch einen Versuchsreaktor zu bauen, an dem sich alle grossen Länder der Welt beteiligen können.

"In der Kernfusion haben wir bemerkenswerte Fähigkeiten", stellte Staatssekretär für Wissenschaft, Charles Kleiber, letzten Sommer an der Jahreskonferenz der europäischen Physiker in Montreux, erfreut fest.

Ein Jahr später geben ihm die Mitglieder des Europäischen Übereinkommens über die Entwicklung der Kernfusion (EFDA) Recht, indem sie Professor Minh-Quang Tran zu ihrem Leiter ernennen.

Der in Saigon geborene Tran ist Bürger von Lausanne und leitet seit 1999 das Forschungszentrum für Plasmaphysik der ETHL. Diese Arbeit will er weiterführen, auch wenn er nun zu 60% an den europäischen Forschung über die Kernfusion beteiligt ist.

"Die Arbeit muss gemacht werden"

Als neuer Leiter der EFDA ist Minh-Quang Tran auch verantwortlich für die Versuche, welche in der JET (Joint European Torus) durchgeführt werden, der grössten Kernfusionsanlage der Welt, welche unweit der britischen Universität Oxford steht.

"Ich habe lange gezögert, bis ich kandidierte", erzählt Professor Tran. "Ich bin ein wenig konfuzianisch, oder stoisch, wenn Sie so wollen, ich stelle oft Pflicht und Diensterfüllung allem anderen voran."

Für seine neuen Funktionen in Europa muss Tran zum Beispiel auf seine Lehrtätigkeit an der ETHL verzichten. Und er weiss sehr gut, dass die Aufteilung 60-40 Prozent in der Praxis wohl eher der Formel 80-80 entspricht.

"Wenn ich an meinen achtjährigen Sohn denke, gibt mir das schon einen Stich ins Herz", gibt der Physiker zu, der schon jetzt seine Tage im Morgengrauen beginnt, damit er am Abend für die Familie da sein kann.

Trotzdem ist Tran "glücklich und stolz", die höchste Verantwortung auf einem Gebiet erhalten zu haben, von dem er seit seiner Studienzeit fasziniert ist.

Aber er findet, diese Ernennung sei vor allem eine Anerkennung der Schweiz und der ETHL. Für ihn persönlich geht es nur darum, "dass die Arbeit gemacht wird".

Weltweites Programm

Und an Arbeit wird es ihm in der EFDA nicht fehlen. Der Sitz des künftigen Versuchsreaktors (ITER) soll Ende Jahr bestimmt werden. Frankreich, Spanien, Japan und Kanada meldeten Interesse an.

In Wirklichkeit stimmt der Name "Europäisches Programm" längst nicht mehr. Es ist heute vielmehr ein weltweites Programm. Anfang 2003 sind nach China, Korea, Kanada, Russland, Indien und Brasilien auch die USA an Bord gekommen.

Und bis heute ist ITER das einzige weltweite Projekt dieser Art.

30 bis 40 Jahre

Mit dem Versuchsreaktor kann allerdings noch kein Strom erzeugt werden. Laut einer von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen Studie dauert es 30 bis 40 Jahre, bis Energie aus Kernfusion vermarktet werden kann.

"Unter diesen Bedingungen", so Tran, "können wir von der Stromindustrie nicht verlangen, in unsere Projekte zu investieren."

Diese ist aber an der neuen Technologie interessiert, von der die Wissenschaft voraussagt, dass sie die Energielandschaft der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts vollständig verändern wird.

Nachhaltige Entwicklung

"Die kontrollierte Fusion liegt genau auf der Linie der nachhaltigen Entwicklung", findet Professor Tran.

Mit der wachsenden Urbanisierung der Erde wird die Zahl der Städte mit einer Million Einwohnern oder mehr laufend zunehmen. Mit Fusionskraftwerken von je einem Gigawatt kann die Energienachfrage dieser Metropolen bestens befriedigt werden.

Ausserdem ist der nötige Kraftstoff – den man aus Wasser und Lithium, einem auf der ganzen Welt vorkommenden Metall gewinnt – im Gegensatz zum Erdöl in allen Ländern der Welt zu finden.

Dadurch dürften Energiekriege nur noch schlechte Erinnerung sein.

swissinfo, Marc-André Miserez
(Aus dem Französischen übersetzt von Charlotte Egger)

In Kürze

- Die Kernfusion ist die Grundenergie des Weltalls. Sie bringt die Sterne zum Glühen.

- In den klassischen Atomkraftwerken werden sehr schwere Kerne zertrümmert, während in einem Fusionskraftwerk sehr leichte Kerne verschmolzen werden.

- Der Grundstoff für die Fusion ist auf der ganzen Welt im Überfluss vorhanden: Deuterium und Tritium, zwei Wasserstoff-Isotope.
Zum Verschmelzen müssen die Atomkerne auf fast 100 Millionen Grad erhitzt werden. Bei dieser Temperatur wird die Materie zu einer Art "Brühe" aus Elementarteilchen, dem so genannten Plasma.

Um zu verhindern, dass die Hitze des Plasmas die Wände des Reaktors zum Verdampfen bringt, wird es in einem starken Magnetfeld eingesperrt.

Im Gegensatz zur Kernspaltung kann die Kernfusion als "sanfte" Energie angesehen werden. Zum Betrieb der Kraftwerke sind keine Transporte gefährlicher Materialen nötig, da es bei der Reaktion keine Abfälle gibt. Und nur die Wände des Reaktors werden leicht verstrahlt, weswegen sie von Zeit zu Zeit ausgewechselt werden müssen.

Das Risiko einer Explosion oder einer Kettenreaktion ist praktisch null. Bei einem Leck kommt die Fusionsreaktion sofort zum Erliegen.

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