ILO: Drei Viertel aller Arbeitslosen ohne Versicherung
75 Prozent der 150 Millionen Menschen, die weltweit ohne Arbeit sind, haben keine Arbeitslosen-Versicherung. Dies geht aus einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hervor, der am Mittwoch (21.06.) in Genf veröffentlicht wurde.
Selbst reiche Länder hätten in den letzten Jahren Einschnitte im sozialen Netz vorgenommen, obwohl es keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Sozialausgaben und Wirtschaftswachstum gebe, kritisiert die ILO in ihrem "World Labour Report 2000."
Schweiz bezüglich Arbeitslosenversicherung auf einem Spitzenplatz
Die grosszügigsten Arbeitslosenversicherungen haben der Studie zufolge Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Island, Portugal und Spanien. Die USA, Australien und Japan geben verhältnismässig wenig für Sozialleistungen aus.
In den 90-er Jahren haben gemäss ILO fast alle OECD-Länder die Arbeitslosenunterstützung eingeschränkt, etwa durch strengere Kriterien, wer bezugsberechtigt ist, oder durch eine kürzere Dauer der Zahlungen.
Ungenügende Versicherung vor allem in Entwicklungsländern
In armen Länder sind die Bewohner dagegen praktisch ohne soziale Absicherung. In Asien, Lateinamerika und Afrika kann laut der ILO nur jeder zehnte Arbeitnehmer mit staatlicher Unterstützung rechnen. In vielen Entwicklungsländern seien ältere Menschen auf Almosen angewiesen.
Auch in Mittel- und Osteuropa erhalten nur die Hälfte der Arbeitslosen staatliche Unterstützung. Der gesetzliche Schutz bei Arbeitslosigkeit bleibe zwar in den ehemaligen Ostblockländern wegen der "sozialistischen Vergangenheit" stark.
Die Zahl der Berechtigten werde aber wegen fehlendem Geld immer kleiner, hält die ILO fest. In Ungarn etwa verringerte sich der Prozentsatz der Arbeitslosen, die Anspruch auf staatliche Gelder haben, zwischen 1991 und 1996 von 80 Prozent auf die Hälfte.
Plädoyer für Ausbau der Sozialversicherungen
Investitionen in den sozialen Schutz zahlten sich längerfristig aus, betont die ILO. Sozialer Schutz sei nicht unerschwinglich. Diejenigen Staaten, die sich nicht genug darum kümmerten, würden letztlich einen Rückschlag erreichen.
Die Uno-Organisation forderte besonders Entwicklungsländer auf, ihre Sozialsysteme auszubauen und auf den informellen Sektor, etwa auf Strassenverkäufer, auszudehnen.
Rund 850 Millionen Menschen weltweit sind der Studie zufolge unterbeschäftigt oder verdienen weniger, als sie zum Leben brauchen. Ausserdem müssen gemäss Schätzungen der ILO etwa 250 Millionen Kinder arbeiten.
Kinder seien wegen der Zunahme von Haushalten mit nur einem Elternteil vermehrt von Armut betroffen, hält die ILO weiter fest. Der Rückgang der Geburtenrate führe zudem zu einer Alterung der Gesellschaft und zu grösseren sozialen Lasten der arbeitenden Bevölkerung.
Italien wird laut den ILO-Prognosen in 30 Jahren die älteste Bevölkerung der Welt haben.
swissinfo und Agenturen

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