Gratis-Zeitung "20 Minuten" hat Nase vorn
Die Pendler-Zeitung, die in den Städten gratis aufliegt, hat ihre Stellung als meistgelesene Zeitung der Schweiz weiter ausgebaut, auch auf Kosten des "Blick".
Von den traditionellen Tageszeitungen in der deutschen Schweiz gewann einzig die "Neue Zürcher Zeitung" markant neue Leserinnen und Leser.
Den Schweizer Zeitungen geht es nicht gut. Eine Aussage, die so nur bedingt gilt. Auf der einen Seite verlieren die traditionellen Tageszeitungen Leser und Inseratevolumen und müssen Journalisten entlassen.
Auf der anderen Seite hat die Pendlerzeitung "20 Minuten" erneut zugelegt und hat jetzt punkto Leserzahlen noch deutlicher die Nase vorn. Dies ergibt die jährliche Erhebung der AG für Werbemedienforschung (WEMF), bei der die Leserzahlen der Schweizer Presse zwischen April 2004 und März 2005 untersucht wurde.
Richtung Million
Insgesamt hat "20 Minuten" 948'000 Leserinnen und Leser pro Ausgabe. Im Jahr zuvor waren es noch 782'000. Erneut an zweiter Stelle liegt der "Blick", der aber von 736' 000 auf 717'000 Leser zurück fiel.
Es folgen der "Tages-Anzeiger" (567'000 Leser) und dahinter die Gesamtausgabe der "Berner Zeitung" mit dem Berner "Bund" (405'000) sowie die Gesamtausgabe der "Mittelland Zeitung" (389'000).
Nummer sechs ist mit 353'000 Lesenden pro Ausgabe in seinem Sprachraum der Westschweizer "Le Matin". Auf Platz sieben der Leser-Hitparade liegt die "Neue Zürcher Zeitung", die von 316'000 auf 331'000 zulegen konnte.
Vernetzung Print-/Online-Angebote
"Die jetzt gewonnenen 166'000 neuen Leser gehen teilweise auf die neuen Regionalausgaben in Luzern und St. Gallen zurück", erklärt Josef Trappel, Kommunikationswissenschafter an der Universität Zürich, gegenüber swissinfo.
Generell sei "20 Minuten" für die Leserschaft ein sehr gut gemachtes Produkt, da die Zeitung sehr nahe an das Leseverhalten vor allem der jüngeren Leserschaft sei. Geschickt findet Trappel vor allem die Vernetzung von Print und Online-Angeboten, welche vor allem die jüngere Leserschaft anspreche.
Marktführer
"20 Minuten" profitiert aber unterdessen auch vom Marktführer-Bonus, wodurch der Titel ein attraktiverer Anzeigenpartner wird: Die Zeitung zieht wie ein Magnet zusätzliches Inserategeld an", sagt der Experte.
Ist "20 Minuten" eine echte Gefahr für die bestehenden Titel? Trappel unterscheidet zwischen Leser- und Anzeigenmarkt. "Im Lesermarkt bedient '20Minuten' ein Segment, das von der traditionellen Presse nicht bedient wurde."
Allgemeiner Strukturwandel
Der Lesermarkt reagiere in Bezug auf die bestehenden Zeitungen aber nur sehr langsam. "Der Strukturwandel geht aber nicht nur auf die Gratis-Zeitung zurück", präzisiert Trappel.
Im Anzeigenmarkt dagegen sei die Wettbewerbs-Intensität stärker. "Da macht sich '20 Minuten' für die Anderen schmerzlich bemerkbar." Dies weil die Anzeigenbudgets in der Regel pro Medium verteilt würden. "Und da sitzt jetzt ein zusätzlicher hungriger Esser am Tisch!" Diese Entwicklung werde sich fortsetzen, der Strukturwandel sei nicht aufzuhalten, ist Trappel überzeugt.
Immer noch ein Land von Zeitungs-Lesern
Trotz der rückläufigen Leserzahlen können sich die Verleger aber immer noch damit trösten, dass die Schweiz zu denjenigen Ländern mit der höchsten Zeitungsdichte gehört.
Über 91% der Schweizerinnen und Schweizer lesen so mindestens eine Zeitung der Tagespresse, regionalen Wochenpresse oder Sonntagspresse.
swissinfo, Renat Künzi und Agenturen
Fakten
20 Minuten: 948'000 (782'000)
Blick: 717'000 (736'000)
Tages-Anzeiger: 567'000 (573'000)
Berner Zeitung (gesamt): 405'000 (426'000)
Mittelland Zeitung (gesamt): 389'000 (481'000)
Neue Zürcher Zeitung: 331'000 (316'000)
Sonntags-Presse:
SonntagsBlick: 988'000 (977'000)
SonntagsZeitung: 813'000 (790'000)
NZZ am Sonntag: 457'000 (417'000)

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