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Presse ist sich einig: Sieger ist Sepp Blatter

Glücklicher Fifa-Präsident Sepp Blatter. Seine Refomvorschläge wurden einstimmig genehmigt. Keystone

Der Weltfussballverband Fifa setzt seinen Reformprozess im Kampf gegen Korruption so um, wie es Präsident Sepp Blatter vorschlägt. Die Exekutive sagt ja zur Einsetzung einer Ethikkommission. Für die Presse geht Blatter erneut als Sieger vom Platz.

Dieser Inhalt wurde am 18. Juli 2012 publiziert Minuten
swissinfo.ch

"And the winner is …Sepp", titelt die Boulevard-Zeitung Blick. Der Fifa Boss habe auf der ganzen Linie gesiegt, weil alle anwesenden 22 Mitglieder des Exekutivkomitees Blatters Vorschläge guthiessen. Diese sagten nämlich einstimmig ja zu einem neuen Ethik-Reglement. Sie wählten einstimmig die Vorsitzenden für die Untersuchungskammer und die Gerichtsabteilung der neuen Ethikkommission.

Der Ermittlungsabteilung wird der amerikanische Staatsanwalt Michael J. Garcia vorstehen, jener der Rechtsprechung der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert. Weil das neue Reglement keine Verjährung vorsieht, kann die Ethikkommission beliebig weit in der Vergangenheit ermitteln.

"Der gewiefte Taktiker Joseph Blatter siegt also unentwegt weiter", bilanziert die Neue Zürcher Zeitung die Reformen bei der Fifa. Der Walliser "Meister-Dribbler" sei die Verkörperung der Fifa.

"Wenn Stimmen gekauft werden, wie im Wahlkampf ums Fifa-Präsidium 2011, oder wenn Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe kassiert werden, dann ist letztlich Blatter dafür verantwortlich. Ein justiziables Fehlverhalten konnte dem 76-Jährigen aber bisher nicht nachgewiesen werden."

Machtmensch bleibt an der Macht

Blatter habe sich lange genug durch das Schmieden von Allianzen und eine geschickte Verteilpolitik in der Kunst der Machterhaltung geübt. "Wer immer sich ihm in den Weg stellt, zieht als Verlierer vom Platz."

Für den Tages-Anzeiger ist "die Diskrepanz zwischen seiner Akzeptanz in der Öffentlichkeit und im Weltfussballklüngel bemerkenswert". Die breite Öffentlichkeit habe starke Vorbehalte gegenüber Sepp Blatter. Im "eigenen Haus" gelinge es dem Schweizer aber trotz seiner zweifelhaften Rolle immer wieder, die Stimmen hinter sich zu bringen.

Dass Blatter bis vor kurzem behauptet habe, von Schmiergeldzahlungen an eigene Funktionäre nichts zu wissen, obwohl er seit Jahren Kenntnis davon hatte; dass er beschuldigt werde, TV-Rechte von Weltmeisterschaften zu Spottpreisen an Ex-Verbündete vergeben zu haben, habe den "Machtmenschen Sepp Blatter" nicht zu Fall bringen können.

"Nun hat er unter Druck und getrieben vom eigenen Machthunger wieder einmal eine verblüffende Drehung vollzogen. Er hat die Fifa auf Reformkurs geführt", schreibt der Tages-Anzeiger weiter. Und diese sei ein beachtlicher Schritt.  

Was hat Blatter zu befürchten?

Die neuen Instrumente des Reformprozesses beurteilen die meisten Medien als Fortschritt.

Für den Kommentator des Blicks ist es sogar ein "historischer Moment. Die Weichen sind richtig gestellt". Sepp Blatter mache ernst und er habe auch "seine Kollegen von diesem für Fifa-Verhältnisse schmerzhaften Reformkurs überzeugen können". Die vielen Kritiker der Fifa würden aber auch "bei der neuesten, guten Entwicklung Haare in der Suppe finden".

Auch die NZZ ist überzeugt, dass die Reformen greifen werden, weil es sich "die hochkarätigen Mitglieder der Ethikkommission nicht leisten können, ihren guten Ruf zu verlieren".

Zweifel hegen die Kommentatoren, ob diese Instanzen auch jener Person gefährlich werden könnten, die sie nun einsetzt. "Die Reform ist ein beachtlicher Schritt und nicht ohne Risiko für den Präsidenten selbst", meint der Tages-Anzeiger. Das neue Reglement verpflichte die "neuen, unabhängigen Instanzen zu ethischem, würdevollem, absolut glaubwürdigem und integrem Verhalten".

Blatter sei Mitwisser und müsse deshalb befürchten, von der Ethikkommission mit Sanktionen belegt zu werden, schreibt auch die NZZ.  "Aber nur objektiv gesehen. Denn einer wie er lässt sich nicht zu Fall bringen – erst recht nicht durch eine eigene Idee".

Wenig Beachtung in der Romandie

Kaum Erwähnung finden die Reform-Versprechen der Fifa in der Westschweizer und Tessiner Presse. Einzig Radio Suisse Romande (RSR) widmet den neuesten Reformschritten der Fifa einen Kommentar und zweifelt darin, ob der Korruption, den Schmiergeldzahlungen und Gefälligkeitswahlen nun ein Riegel geschoben werde.

Nach all den Skandalen der letzten Jahre habe Sepp Blatter gestern zwei zu erwartende und betrübliche Banalitäten angekündigt. "Erstens verlässt er seinen Posten nicht. Ein guter Kapitän verlässt das Schiff nicht, das er selber gebaut, gestaltet und dirigiert hat."

Unrealistisch sei auch das Versprechen der Fifa, mehr Transparenz zu schaffen. "Die Arbeit scheint kolossal und unmöglich zu sein", denn in dieser Instanz hätten sich Intransparenz, Verdächtigungen und Misstrauen modellhaft eingerichtet. 

Fifa-Skandale

Mai 2001: Konkurs der Zuger Sportrechte-Agentur ISMM/ISL. Gläubiger machen Schäden von 4 Mrd. Franken geltend. Gerüchte kursieren, ISL habe sich die Rechte an Sportveranstaltungen mit Schmiergeldzahlungen an Funktionäre aus dem Fifa-Exekutivkomitee gesichert.

Mai 2001: Die Fifa erstattet Strafanzeige gegen ISL, weil diese Gelder nicht weitergeleitet haben soll.

Juni 2004: Die Fifa teilt der Justiz mit, dass sie an einer weiteren Strafverfolgung von ISL nicht interessiert sei. Inzwischen hat die Untersuchung aber Straftatbestände ergeben, die von Amtes wegen abgeklärt werden müssen.

August 2005: Die Zuger Untersuchungsbehörden eröffnen ein Verfahren gegen Unbekannt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgungen zum Nachteil der Fifa. Im Verdacht stehen Fifa-Funktionäre.

März 2008: In Zug beginnt der Prozess gegen sechs ISL-Manager. Drei werden schuldig, drei freigesprochen.

Mai 2010: Nach einer Zahlung von 5,5 Mio. Franken wird die Untersuchung gegen die fehlbaren Funktionäre abgeschlossen, ohne dass deren Namen offiziell gekannt werden.

Oktober 2010: Die britische Zeitung Sunday Times deckt auf, dass sechs Fifa-Funktionäre bereit waren, für die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 (Russland) und 2022 (Katar) ihre Stimme zu verkaufen.

Mai 2011: Die Ethikkommission der Fifa erklärt Blatters Präsidentschafts-Gegner Mohammed bin Hammam für schuldig, Stimmen für die Präsidentschaftswahl gekauft zu haben.

Juli 2012: Das Bundesgericht gibt die Akten im Fall ISL der Strafbehörde zur Veröffentlichung frei.      

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