Gerangel um 2. Gotthard-Röhre
Die Blechschlangen vor dem Gotthard-Tunnel sind berühmt: Die wichtigste Nord-Süd-Verbindung ist regelmässig Anfang und Ende Ferien verstopft. ACS und TCS lancierten deshalb eine Initiative für eine zweite Gotthard-Röhre, die Regierung stellt nun ihren Gegenvorschlag vor.
Der Vorschlag ist populär: Sechs statt vier Spuren zwischen Genf - Lausanne und Bern - Zürich, Ausbau des Autobahn-Teilstücks zwischen Erstfeld und Airolo und eine zweite Gotthard-Röhre - und zwar sofort. Dies sind die Vorstellungen des Automobil-Club und des Touring-Club Schweiz (ACS und TCS). Titel des Volksbegehrens: "Avanti - für sichere und leistungsfähige Autobahnen".
Aus Angst vor einem Abstimmungs-Erfolg der Initiative setzt die Schweizer Regierung, der Bundesrat, jetzt auf einen Gegenvorschlag. Mit einem gezielten Ausbau von Strasse und Schiene soll der wachsende Verkehr auf der Ost-West-Achse bewältigt werden.
Agglomeration statt Gotthard
Der Gotthard, so Verkehrsminister Moritz Leuenberger, "ist nicht ein prioritär zu behebender Engpass". Probleme hätten vor allem die Agglomerationen und um diese zu entlasten sollten vermehrt Mittel in den Agglomerations-Verkehr fliessen. Der Ausbau sei vor allem dort nötig, wo sich der Durchgangs-Verkehr mit dem Pendler- und Einkaufsverkehr überlagere.
Doch im Gegenvorschlag des Bundesrates steht lediglich, dass "nachgewiesene Engpässe auf dem Autobahn-Netz in enger Koordination mit den anderen Verkehrsträgern (Schiene) behoben werden". Und weiter: "Der Bundesrat will ein Jahr nach Annahme des Gegenvorschlags ein Programm zur Sanierung der am stärksten belasteten Nationalstrassen-Strecken sowie zum Ausbau des Agglomerations-Verkehrs vorlegen."
Angesprochen auf die Problematik, einen konkreten Vorschlag mit einem schwammigen Gegenvorschlag zu kontern, meinte Verkehrsminister Leuenberger, dass dieser Vorschlag bis zur Abstimmung laufend mit Inhalten gefüllt werde. Diese würden in der Botschaft zur Abstimmung nachzulesen sein.
Angriff auf Alpenschutz
Auch in einem weiteren Punkt geht die Initiative der Regierung zu weit: Mit dem Bau einer zweiten Röhre am Gotthard würde der Alpenschutz-Artikel unterlaufen. Dieser wurde 1994 gegen den Willen der Regierung vom Volk angenommen. Er besagt, dass die Transit-Strassen im Alpengebiet nicht ausgebaut werden dürfen.
Der Bundesrat respektiert nun diesen Volkswillen und verzichtet auf die zweite Röhre in seinem Gegenvorschlag. "Wir finden es demokratisch fragwürdig, wenn wir, statt diesen Volksauftrag umzusetzen, einfach den billigen Weg gehen würden und sagen: Ja, man muss diesen Verfassungs-Artikel aufheben", so Leuenberger am Mittwoch (22.08.) vor den Medien.
Initiative - Gegenvorschlag und zum Dritten...
Anders sieht dies ein Ausschuss der parlamentarischen Verkehrskommission. Dieser schlägt vor, den Alpenschutz-Artikel zu verändern - wieder per Abstimmung. Der Grundsatz, dass die Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet nicht erhöht werden darf, soll in der Verfassung bleiben. Neu sollen davon aber neben Umfahrungs-Strassen zur Entlastung der Ortschaften vom Durchgangs-Verkehr auch der Bau einer zusätzlichen Strassentunnel-Röhre zwischen Göschenen und Airolo ausgenommen werden. Die Abstimmung darüber soll stattfinden bevor die zweite Röhre geplant wird.
In der Sache sind die Meinungen gemacht: Die bürgerlichen Bundesrats-Parteien wollen die zweite Röhre, die Sozialdemokraten und die Umweltverbände lehnen sie vehement ab.
Kein Jubel bei der Alpenintiative
Der Verein Alpeninitiative bezeichnet den Vorschlag der Verkehrskommission als "Frontalangriff auf den Alpenschutz". Auch dem Gegenvorschlag der Schweizer Regierung gegenüber ist die Alpeninitiative kritisch eingestellt. Sie will inhaltlich mehr wissen, meint deren Präsident, der sozialdemokratische Nationalrat Fabio Pedrina gegenüber swissinfo. Die Richtung, die Schiene und Strasse als Gesamtheit betrachte, sei positiv, doch was das Parlament aus dem Gegenvorschlage mache, sei eine andere Frage.
Rebecca Vermot

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