Genf beherbergt WTO-Krisen-Gespräche
Die Stadt Genf ist Gastgeberin für Gespräche, die in einem letzten verzweifelten Versuch die globale Handelsvereinbarung vor dem Kollaps retten möchten.
Minister aus über 20 Ländern, darunter auch der Schweiz, versuchen, vor dem entscheidenden WTO-Gipfel in Hongkong im Dezember eine Übereinstimmung zu finden.
Die letzte Gesprächsrunde begann einen Tag nachdem die Minister von 5 wichtigen Mitgliedsländern der Welthandelsorganisation (WTO) die Erwartungen auf einen unmittelbar bevorstehenden Durchbruch gedämpft hatten.
Das Treffen vom Montag, das in London zwischen Indien, den USA, der Europäischen Union, Brasilien und Japan stattfand, ist mit tiefen Widersprüchen zu Ende gegangen.
Ein Sprecher des Schweizer Wirtschaftsministers Joseph Deiss, der die Schweiz am Treffen in Genf vertritt, ist der Ansicht, die Gespräche könnten bis weit in die Nacht dauern.
Auch WTO-Chef Pascal Lamy sagte in einem Zeitungsinterview, es gebe ein Risiko, dass die Gespräche scheitern könnten. Und, es gebe keinen "Plan B".
Steigender Druck
Die Schweiz gerät zusammen mit Ländern wie Japan, den USA und der Europäischen Union unter steigenden Druck der Entwicklungsländer. Diese verlangen die Reduktion von Landwirtschafts-Subventionen jeweils im Inland. Auch sollen die Zölle für landwirtschaftliche Einfuhrprodukte gekappt werden.
Hoffnung keimte im letzten Monat auf, als Washington offerierte, Inlandsubventionen zu kürzen.
Aber just einen Monat vor dem Hongkonger Gipfel, der als das Ende der 2001 begonnen so genannten Doha-Gesprächsrunde betitelt wurde, kommen wieder tiefe Gräben zum Vorschein.
Der Schweizer WTO-Chefunterhändler Luzius Wasescha befindet sich unter heimatlichem Druck. Die Schweizer Landwirte verlangen von ihm, dass er der Agrarreform nicht zustimmt.
So drohte er vor zwei Wochen, sich vom Verhandlungstisch zurück zu ziehen und kritisierte die Sturheit der Exportländer.
"Wir wollen nicht als negativ erscheinen", sagt er, "aber wenn die Sache so weit von der Realität entfernt ist, dann müssen wir Nein sagen."
Bis zum Äussersten gehen
Der renommierte Publizist Beat Kappeler sagte jedoch gegenüber swissinfo, es liege nicht drin, dass die Schweiz in diesem Stadium das Handtuch werfe.
"Die Innenpolitik bestimmt im Moment die Position der Schweiz bei den WTO-Gesprächen", so Kappeler, "aber sie kann es sich nicht leisten, ihr Veto einzulegen".
Zudem sei die Position der Schweiz nicht sehr glaubwürdig, da sie in der Vergangenheit zu den grössten Verfechterinnnen des freien Handels gehört hätte.
Gemäss Kappeler hat der schweizerische Schutz der Landwirtschaft, deren Wert er auf bloss 0,5% des Inlandproduktes schätzt, ihrer Freihandels-Glaubwürdigkeit in der WTO geschadet.
Eigentlich geht es um freien Handel an Dienstleistungen
"Diese Position ist auch unglaubwürdig, wenn Sie das schweizerische Interesse für den freien Handel an Dienstleistungen betrachten." Denn dieses sei das entscheidende Ziel bei den aktuellen Gesprächen.
"Anstatt sich für diese Dienstleistungs-Handelsfreiheit einzusetzen, hat die Schweiz einen Rückschritt in die Steinzeit gemacht, um ein altmodisches landwirtschaftliches System zu verteidigen", so Kappeler weiter.
Er schätzt, dass 75% der Angestellten in der Schweiz im Dienstleistungssektor arbeiten. Seiner Ansicht nach müsste die Schweizer Regierung viel mehr Zeit am Vermittlungstisch verbringen, um ihre Interessen zu verteidigen.
"Ein Durchbruch würde hier den Interessen der Schweiz mehr dienen. Mein Rat an die Schweizer Unterhändler: Akzeptiert eure Niederlage im landwirtschaftlichen Sektor. Mit umso grösserer Freude könnt ihr dann nach Hause kommen und die Agrarpolitik ein für alle Mal ändern."
swissinfo und Agenturen
(Übertragen aus dem Englischen: Etienne Strebel)
Fakten
Die im November 2001 gestartete Doha-Handels-Gesprächs-Runde innerhalb der World Trade Organisation (WTO)wurde immer wieder verlängert, da man sich über über die landwirtschaftlichen Subventionen nicht einig werden konnte.
Die nächste Schlüsselrunde wird die Minister-Koferenz sein, die im Dezember in Hongkong stattfindet.

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