G10: Vereint zu mehr Durchsetzungskraft
Wirtschaftsminister Joseph Deiss hat an der WTO-Ministerkonferenz in Hongkong Bereitschaft zur Öffnung des Schweizer Agrarmarktes signalisiert.
Die Schweiz gehört zur Gruppe der G10-Staaten, die alle eine ähnliche Haltung vertreten. Deiss im Gespräch mit swissinfo.
Die G10 wollen in Hongkong auf spürbare Massnahmen für die Entwicklungsländer drängen.
So seien Entscheide im Baumwollstreit nötig, um auf die Sorgen der afrikanischen Länder einzugehen, die sich gegen die Subventionen der reichen Staaten wehren. Sie kommen insbesondere wegen den USA unter Druck, die ihren Baumwoll-Produzenten jährlich 4 Mrd. Dollar zahlen.
swissinfo: Was verbindet die G10-Staaten und was verteidigen sie?
Joseph Deiss: Wir sind alle Importeure von Agrarprodukten und müssen eine Landwirtschaft erhalten. Diese können wir nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Versorgung mit Nahrungsmitteln anschauen. Es gibt auch noch andere Gründe, die für deren Erhaltung sprechen: Umwelt, Landschaft, Gesellschaft oder schlicht die Erhaltung des Naturerbes.
Es gibt Produkte unserer Landwirtschaft und der Lebensmittelhersteller, die zu unserer Kultur gehören. Dieses Erbe dürfen wir nicht preisgeben. Ein guter Greyerzer oder Emmentaler ist mehr als ein Käse!
swissinfo: Gibt es innerhalb der G10 auch Differenzen?
J.D.: Ja, in der Ausrichtung der Landwirtschafts-Politik. Japan beispielsweise ist in erster Linie Reisproduzent, die Schweiz Herstellerin von Milchprodukten.
Dann haben wir nicht alle dieselben Instrumente des Protektionismus. Anders als in Japan oder Norwegen gibt es in der Schweiz viel höhere interne Subventionen. Diese werden als Direktzahlungen entrichtet, unabhängig von der produzierten Menge.
In der G10 sind die verbindenden Elemente aber zahlreicher, das erlaubt uns, eine gemeinsame Linie zu verfolgen. Und verleiht uns in den Diskussionen wiederum mehr Einfluss.
swissinfo: Welche Mittel stehen der G10 zur Verfügung, um zu intervenieren und die Verhandlungen zu beeinflussen?
J.D.: Sie kann sich in Hongkong Gehör verschaffen. Die WTO funktioniert auf Basis des Konsens: Eine Lösung kann nur einstimmig verabschiedet werden. Damit hat jedes Mitglied die Möglichkeit, alles zu blockieren.
Natürlich ist es für jeden einzelnen Vertreter der 148 Mitgliedstaaten schwierig, derjenige zu sein, der alles blockiert.
Damit das nicht geschieht und um die Verhandlungen zu erleichtern, haben sich Länder mit ähnlichen Interessen zu Gruppen zusammengeschlossen. Es können nicht immer 148 Vertreter um einen Tisch sitzen. Wir verhandeln in kleineren Gruppen von 20 Mitgliedern.
Zusammen mit den Japanern vertrete ich die neun Länder der G10. Drei oder vier Länder vertreten die G20 (Wachstumsmärkte) und zwei Kommissare die Europäische Union. Auf diese Weise können wir mit Positionen in die Verhandlungen steigen, auf die wir uns in der Gruppe bereits geeinigt haben.
swissinfo: Die Positionen der G10 und der EU sind oft sehr nahe. Wäre es nicht effizienter, sich in einer gemeinsamen Gruppe zusammenzuschliessen?
J.D.: Wir arbeiten eng zusammen, indem wir fast täglich unsere Informationen austauschen und schauen, wie wir unsere Aktionen koordinieren können. Kurz gesagt, in vielen Bereichen kommen wir uns näher.
Aber aus verschiedenen Gründen bilden wir keine eigene Gruppe. Zum einen ist es bereits sehr kompliziert, die Position der Europäische Union der 25 Länder zu konsolidieren.
Hier in Hongkong sieht man, dass hinter den EU-Kommissaren 25 Landwirtschafts-Minister und oft auch Wirtschaftsminister stehen, die ihnen Anweisungen geben.
Eine Gruppe mit der EU zu bilden wäre folglich schwierig. Auf der anderen Seite werden sich die Gruppen im Verlauf der Diskussionen nähern und gemeinsame Positionen verteidigen.
Mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen Ländern, der EU und der G10 wären wir bereits 128 Länder, fänden wir eine gemeinsame Linie.
swissinfo-Interview: Pierre-François Besson in Hongkong
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Fakten
Die 6. Ministerkonferenz der WTO findet vom 13. bis 18. Dezember in Hongkong statt.
Als entscheidendes Gremium soll sie den Weg frei machen für einen Abschluss der so genannten Doha-Runde, die 2001 aufgenommen worden war.
Vertreter aus 149 Staaten werden vertreten sein. Die Erwartungen sind eher gedämpft.
Handelsminister Joseph Deiss steht an der Spitze der Schweizer Delegation.
In Kürze
Die G10-Gruppe zählt momentan neun Länder und wird von der Schweiz präsidiert. Ihr gehören Japan, Südkorea, Taiwan, Mauritius, Island, Israel, Norwegen, und Lichtenstein an.
Bulgarien ist nach der Einreichung seines EU-Beitrittsgeses ausgetreten.
Die G10-Länder haben sich an der letzten WTO-Ministerrunde in Cancun ausschliesslich auf das Agrardossier konzentriert.

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